Ausersehen
fest, als er die Böschung zur Brücke hinaufstieg. Sein Schritt wurde schwankend, als er die unbehauenen Bohlen betrat, und mein Magen sank mir bis in die Kniekehle. Das Echo seiner Hufe klang, als wären wir Millionen Meilen über der Erde. Die Erinnerung an meinen Versuch, die Royal George Bridge in Colorado zu überqueren, überrollte mich. Nicht mal meine Freundin, die am anderen Ende mit einer Flasche meines liebsten Rotweins winkte, hatte es geschafft, mich auch nur bis zur Hälfte auf die Brücke zu locken.
Also behielt ich hier meine Augen fest geschlossen. Als neurotischen Tribut an meinen Lieblingsfilm French Kiss fing ich an, leise zu singen, doch statt „Ich liebe Paris im Frühling“ wandelte ich den Text ab in „Ich hasse Brücken im Frühling“.
„Rhea, gibt es ein Problem?“
Das Geräusch von Hunderten Hufen, die uns folgten, übertönte ClanFintans Frage beinahe.
„Nein“, sagte ich mit fest geschlossenen Augen. „Aber lass mich wissen, wenn wir die verdammte Brücke hinter uns haben.“
Kurz darauf spürte ich festen Boden unter seinen Hufen. Er trat zur Seite und sagte: „Dougal, du und ClanCullen führt die Kolonne bis zum zweiten Weg in nördlicher Richtung.“ Dougal und ein extrem muskulöser Rotschimmel salutierten und galoppierten los, um sich an die Spitze der Kolonne zu setzen.
Ich hatte meine Augen gerade weit genug geöffnet, um zu sehen, dass Dougal nicht mehr ganz so blass war. „Dougal sieht gut aus“, sagte ich, als wir den vorbeiziehenden Zentauren nachschauten.
ClanFintan sah mich über seine Schulter an und sagte leise: „Besser als du. Dein Gesicht hat ja jegliche Farbe verloren.“ Dann fügte er hinzu: „Oh, und wir haben die Brücke hinter uns.“
Ich schaute zurück zu dem, was er Brücke nannte, und schüttelte mich. „Ich mag keine Brücken“, flüsterte ich ihm ins Ohr.
Sein Lachen führte dazu, dass die vorbeitrabenden Zentauren uns lächelnd anschauten.
„Du kannst den Anführer einer Dämonenhorde verspotten und dich Nacht für Nacht in tödliche Gefahr bringen, fällst aber beinahe in Ohnmacht, wenn du eine Brücke überqueren musst?“
„Ja … und?“, erwiderte ich lapidar.
Er nahm meine Hand und drückte einen Kuss auf ihre Innenseite. „Du bist eine konstante Überraschung.“
„Ja, vergiss das lieber nicht.“ Ich war mir sicher, dass sein Lachen die Verwirrung widerspiegelte, die er ob der tiefen Geheimnisse und Reize der modernen amerikanischen Frau empfand. Oder er dachte, dass ich unglaublich trottelig war. Ich fragte ihn nicht danach. In jeder Ehe gibt es Dinge, die man besser nicht anspricht.
„Lady Rhea!“
Ich lächelte und winkte enthusiastisch, als Victoria und ihre Gruppe (Meute, Herde, Schar?) Jägerinnen über die Brücke gedonnert kam.
„Wir sehen uns in unserem Lager heute Nacht!“, rief sie.
„Ja, gern!“, schrie ich zurück.
ClanFintan und ich standen einfach da und beobachteten, wie die majestätischen Zentauren und Zentaurinnen weiter an uns vorbeizogen. Es schien gar kein Ende zu geben.
„Wie viele Zentauren sind eigentlich in einer Legion?“, wollte ich wissen.
„Eintausend“, erwiderte mein Mann mit offensichtlichem Stolz.
Ich hoffte, dass das reichte.
„Hagan.“
Die Stimme meines Mannes wurde über das Hufgeklapper getragen, und ein großer schwarzer Zentaur trat aus der Reihe und kam zu uns herüber.
Er begrüßte ClanFintan und verbeugte sich respektvoll in meine Richtung. Ich versuchte, ihn nicht anzustarren. Er war das verdammt noch mal größte Pferd, das ich je gesehen hatte. Und das schwärzeste. Seine Haut war schwarz, genau wie sein dickes, welliges Haar. Sein Fell war so dunkel, dass es violett und blau schimmerte, wie die Federn eines Raben. Sogar seine Hufe waren schwarz. Das einzig Weiße an seinem gesamten riesigen Körper waren seine Zähne und zwei silberne Strähnen, die an seinen Schläfen verliefen. Er war erstaunlich. Und, um ehrlich zu sein, auch unglaublich attraktiv, auf eine verwegene, Zorro-artige Weise. Ich verspürte das plötzliche Verlangen, ihn abzulecken. (Oh, bitte – das würde ich niemals tun. Ich meine nur, dass er sehr verführerisch aussah. Ich bin zwar glücklich verheiratet, aber nicht tot und begraben.)
Nach einer kurzen Unterhaltung mit ClanFintan nahm Hagan unsere Position ein. Ich zügelte meine verbotenen Gedanken, und schon galoppierten wir los, um zu den vorderen Reihen aufzuschließen.
Als wir Dougal und ClanCullen erreicht hatten,
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