Ausersehen
schnuckelige schmale Taille. Kurz gesagt, der menschliche Teil seines Körpers, der knapp unterhalb der Bauchmuskeln endete, ungefähr da, wo bei einem Mann die Hüfte sitzt, sah wie ein verdammt schöner Mann in der Blüte seines Lebens aus – also achtzehn. Nein, ich mache nur Witze, er war sehr wahrscheinlich irgendwo Mitte dreißig. Was auch immer das in Pferdejahren war.
Der Pferdeteil seines Körpers hatte die Farbe von Ahornholz, wie reife Eicheln auf den Ledereinbänden alter Bücher. Von den Knien zu den Hufen ging er in tiefes Schwarz über. Immer noch in die Unterhaltung versunken, verlagerte er sein Gewicht, sodass sein Fell erzitterte und das Licht der an den Wänden hängenden Kerzen reflektierte. Er mochte ein Griesgram sein, aber er schien sich gut zu pflegen. Wie ich schon erwähnte, war er groß. Sein Stockmaß betrug bestimmt um die ein Meter sechzig. Er war mehr wie ein Quarter Horse denn wie ein Vollblut gebaut, kraftvoll und bereit für schnelle Sprinteinlagen.
Während ich ihn so betrachtete, fiel mir auf, dass ich mich von dieser Mischung aus Mensch und Pferd nicht im Geringsten abgestoßen fühlte. Ich musste allerdings auch nicht allzu lange darüber nachdenken, wieso das so war. Als waschechtes Oklahoma-Mädchen bin ich mit Pferden aufgewachsen und war schon immer verrückt nach ihnen. Bis ich zum College kam, hatte ich sogar ein eigenes Pferd. Mein Vater witzelt immer, dass ich reiten konnte, bevor ich laufen lernte. (Ich frage mich, ob es für diese Art von Heirat Voraussetzung war, dass man gewisse Kenntnisse im Umgang mit Pferden hatte. Es konnte auf jeden Fall nicht schaden.) Und ehrlich gesagt, wenn er sich nicht so verkrampft um den Titel des Mister Stirnrunzeln des Jahres bewerben würde, hätte ich ihn als durchaus attraktiv bezeichnet – auf ein bizarre, „ich habe jeden Bezug zur Realität verlorene“ Art.
Ihre Unterhaltung schien zu Ende zu sein. Sein Freund salutierte und ging dann zur Tür, wobei er im Vorbeigehen gerade lange genug innehielt, um sich vor mir zu verbeugen. ClanFintan machte es sich auf der Chaiselongue neben meiner bequem. Für so einen großen Mann/ein großes Pferd, was weiß ich, bewegte er sich sehr elegant.
Mit etwas förmlicher, steifer Stimme sagte er: „Bitte entschuldigen Sie die Unterbrechung. Mein Leutnant hatte Angelegenheiten von großer Wichtigkeit mit mir zu besprechen.“
Er klang, als hätte er einen Besenstiel in seinem Pferdepo stecken.
„Kein Problem. Leisten Sie mir doch bei einem Glas von diesem exzellenten Wein Gesellschaft“, flüsterte ich. Ich ignorierte meine schmerzende Kehle und schenkte ihm ein dickes „Bin ich nicht ein nettes Mädchen“-Lächeln.
„Ich danke Ihnen.“
Vielleicht würde der Alkohol dafür sorgen, dass er lockerer wurde und sich etwas menschlicher (oder wie man das bei ihm auch nannte) benahm.
Durch eine Tür am anderen Ende des Saales strömten Diener mit so vollgeladenen Tellern herein, dass ihr Anblick mich an herumflitzende Krebse erinnerte. Düfte hüllten mich ein, und mein Magen knurrte mit einem Mal so laut, dass ich sah, wie ClanFintan ein Lächeln unterdrückte. Ich hätte gern etwas in die Richtung geflüstert, dass ich „ein wenig hungrig“ sei, aber ich fürchtete, dass meine Stimme das wenig ladylike Grummeln meines Magens nicht übertönen konnte.
Einige wundervolle Diener (ich entschuldige mich dafür, sie als Meerestiere bezeichnet zu haben) boten erst mir, dann ClanFintan verschiedenste Delikatessen an: köstlich duftenden Fisch in einer sahnigen Sauce, weiches, den Mund wässrig machendes Geflügel (es schmeckte zumindest nach Hühnchen), das großzügig mit Limonenpfeffer bestreut war, Körner, die eindeutig nach Knoblauch rochen, und Gemüse, das wie eine Mischung aus Erbsen, ganzen Champignons und Minizwiebeln aussah. Als anmutige und damenhafte Esserin, die ich nun mal war, schnappte ich mir von allem etwas und bedeutete gleichzeitig, dass man mir bitte Wein nachschenken möge. Ja, ich war mir bewusst, dass ich vielleicht etwas zu viel trank, aber das hatte ja medizinische Gründe. Immerhin war ich vor Kurzem noch tot gewesen.
Beim Essen fiel die endgültige Entscheidung. Ich konnte nicht in der Hölle sein, denn die Speisen waren einfach zu delikat. Zwischen den Bissen schaffte ich es, meinem Tischpartner – oder muss es Liegenpartner heißen? – einen Blick zuzuwerfen. Mit Interesse bemerkte ich, dass er ebenfalls mit großem Appetit aß, und zwar nicht nur die
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