Ausersehen
ein Jahr.“
„Kein Wunder, dass er mich nicht leiden kann.“ Nun ergab alles langsam einen Sinn.
„Ja, Mylady.“
„Du warst mit ihrem Verhalten nicht einverstanden, oder?“
„Es ist nicht an mir, Lady Rhiannons Verhalten zu beurteilen.“ Ihre Stimme klang flach und unpersönlich.
„Warum nicht? Bist du nicht ihre Assistentin oder so?“
„Assistentin?“
„Ja, wie eine Chefsekretärin oder die Verantwortliche für ihren Terminplan? Du weißt schon, ihre Angestellte.“
„Mylady, ich bin ihre Dienerin.“
„Das klingt nicht so, als hätte sie dich sehr zu schätzen gewusst oder dir gar einen angemessenen Titel gegeben. Ich wette, die Bezahlung ist auch mies. Konntest du nicht kündigen?“
„Sie verstehen das nicht, Mylady. Sie besitzt mich. Ich bin ihr Eigentum.“
Ach du grüne Neune.
„Du bist ihre Sklavin?“
„Ja. Und nun bin ich Ihre Sklavin, Mylady.“
„Nein! Ich will keine Sklaven haben! Ich lasse dich frei. Gib mir die Papiere oder was auch immer man dafür braucht. Das ist doch absolut lächerlich.“
„Das dürfen Sie nicht, Mylady.“ Ihr Gesicht war wieder blass geworden, und in ihrer Stimme schwang Panik mit. „Rhiannons Sklavin zu sein ist mein Leben. MacCallan hat mich für seine Tochter erworben, als ich noch ein Kind war. Das ist der Lauf unserer Welt.“
„Aber es ist nicht meine Welt.“
„Jetzt schon, Mylady.“
Eine Welle der Erschöpfung übermannte mich. Was tat ich hier nur? Wie konnte das alles real sein?
„Schlafen Sie, Mylady. Am Morgen wird alles klarer sein.“
„Es wird noch genauso verrückt und bizarr sein wie heute.“ Schlaf zerrte aber schon an mir. Wein und der Stress des Tages ergaben eine exzellente Kombination, besser als jedes Schlafmittel. Meine Lider waren schwer wie Blei, meine Kraft und der Wunsch, sie offen zu halten, waren wie fortgeweht. Die Dunkelheit war eine willkommene Atempause.
Neben dem Schottland von Diana Gabaldon und Anne McCaffreys Pern ist Schlummerland der Ort, den ich am liebsten besuche. Meine Träume waren schon immer in Farbe (und natürlich 3-D) und wundervoll. Das Land meiner Träume ist bevölkert mit fliegenden Helden, die sich in die Heldin verlieben (die natürlich ich bin), die Welt retten (deren Himmel einen ganz entzückenden lilafarbenen Stich hat) und dann mit ihren starken (und doch sanften) Händen geschliffene Diamanten aus Kohle pressen. Mein liebster Verehrer bettelt immer darum, die enormen Schulden meiner Ann-Taylor-Kreditkarte übernehmen zu dürfen, um sich meiner würdig zu erweisen. Zwischen Szenen, in denen mir von Pierce Brosnan (der auch fliegen kann) der Hof gemacht wird, faulenze ich vor dem lilafarbenen Himmel auf Wolken aus goldener Zuckerwatte (die nicht klebrige Variante), kraule die Bäuche von flauschigen schwarz-weißen Katzen, trinke fünfzig Jahre alten Single Malt Scotch und puste Löwenzahnsamen in die Luft, der sich in Schneeflocken verwandelt.
Also können Sie sich vorstellen, dass ich mich nach so viel Stress und Weltenwechseln danach sehnte, in mein Schlummerland abzutauchen. Auf der Seite liegend und tief atmend ließ ich mich nur zu gern in tiefen Schlaf fallen, ganz in freudiger Erwartung der neuesten Träume aus meinem Fantasieland.
Ebenso können Sie sich vorstellen, dass ich anfangs nicht besonders alarmiert war, als ich mit einem Mal das Gefühl hatte zu schweben. Ich öffnete meine Augen und sah, wie meine Seele sich aus meinem schlafenden Körper löste, während ich nach oben und durch das Dach meines Zimmers glitt.
Und ja, ich hatte ein großes Bett, sogar aus der Vogelperspektive betrachtet.
Zu fliegen oder zu schweben ist ein cooler Nebeneffekt meiner Besuche im Schlummerland. Normalerweise muss ich in meinen Träumen immer erst anfangen, mit ausgestreckten Armen zu rennen, bevor ich vom Boden abheben und mich in die Lüfte schwingen kann, aber was soll’s, es ist Schlummerland und somit nicht gerade felsenfest in der Realität verwurzelt – also ist alles möglich …
Zurück zum Schweben durch die Decke des Raums. Als ich nach oben trieb und die Mauern des Tempels von Epona hinter mir ließ, erlebte ich einen kurzen Anflug von Höhenangst. Zu fliegen bringt mir in meinen Träumen immer Spaß, sodass mich das schwindelige Gefühl etwas überraschte und mein Magen sich zusammenzog, aber dieser Anflug ging vorbei, und bald vergaß ich diese Seltsamkeit.
Entspannt ließ ich mich in der Nachtluft treiben. Ich atmete tief durch und genoss die
Weitere Kostenlose Bücher