Ausersehen
gesagt, etwas, das Rhiannon wusste, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um Miss Schweigsam zu spielen (als wenn ich das jemals könnte).
„Sie haben die Geschichten gehört.“ Er schien zu sehr in seinen eigenen Gedanken gefangen, um meinen Mangel an Wissen zu bemerken. „Die Mütter in Partholon haben ihre Kinder, die sich zu weit von zu Hause entfernt haben, zu allen Zeiten mit Geschichten von geflügelten Dämonen geängstigt, die auf sie hinunterschießen und sie verschlingen.“
„Oh ja.“ Ich versuchte, locker zu klingen. „Ich erinnere mich nicht mehr an die Einzelheiten. Wo sagte man noch, kamen die Dämonen her?“
„Sie kamen von der anderen Seite der Berge Trier. Ich denke nicht, dass in den Legenden nähere Angaben gemacht wurden.“
„Was ist mit ihnen passiert?“
„Seit Generationen singen die Barden davon, dass Partholon sich gegen sie erhoben hat. Auch wenn sie großes Übel verbreiten, sie waren zahlenmäßig unterlegen. Sie wurden geschlagen, und die Überlebenden wurden hinter die Berge verbannt. Weshalb, der Legende nach, die Wachtburg an der Mündung des Passes errichtet worden ist.“ Er sah mich aufmerksam an. „Aber ich würde meinen, dass Sie als Auserwählte Eponas das alles schon wissen.“
„Epona treibt keinen Handel mit dem Bösen.“ Sobald mir die Worte entschlüpft waren, hatte ich das intuitive Gefühl, dass sie stimmten, aber meine Intuition war willkürlich, und ich war mir nicht sicher, ihr trauen zu können. Großartig. Zurück zum Tanz auf rohen Eiern. „Und wieso sollte ich mich mit Geschichten auskennen, mit denen Kinder erschreckt werden?“ Nach Strohhalmen greifend, schaute ich zu Alanna auf. „Epona ist viel zu beschäftigt, um sich mit solchen Dummheiten zu befassen.“ Ich war vollkommen hilflos – und hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wovon hier gesprochen wurde. Fomorianer? Partholon? Berge Trier?
„Vielleicht wurden Sie deshalb heute Nacht von ihr als Zeugin geschickt, Mylady. Damit Sie mit eigenen Augen sehen, was auf Partholon losgelassen worden ist“, sagte Alanna mit freundlicher Stimme und nahm meine Hand. „Kann es nicht sein, dass Epona Sie vor einer Gefahr warnen wollte, auf die Sie nicht vorbereitet sind?“
Ihre Worte hatten eine besondere Bedeutung für uns beide; sie wusste, dass ich auf alles hier nicht vorbereitet war. Ihr Lächeln war traurig. Dann schaute sie zu ClanFintan.
„Vielleicht hat sie deshalb Euch beide zusammengebracht. Epona wusste, dass dieses Böse ihre Auserwählte unerwartet treffen würde, genau wie sie wusste, dass Sie als Hoher Schamane über diese Legenden informiert sein würden und somit besser gerüstet, das Böse zu bekämpfen.“
„Oh, natürlich. Danke, Alanna.“ Sie hatte mir mal wieder den Allerwertesten gerettet.
„Ja, das ergibt Sinn.“
Zum Glück schien ClanFintan zu zerstreut, um ernsthaft nachzudenken. Außerdem war er, Pferd hin oder her, immer noch ein Mann, und die waren ja nun nicht gerade bekannt dafür, Meister des Multitaskings zu sein.
„Das bedeutet also, Epona wollte mich davor warnen, dass das Böse kommt.“ Plötzlich ging mir ein Licht auf. Abrupt setzte ich mich hin und schüttelte alle noch irgendwo in den Ecken hängenden Tränen ab. „Die verdammten Dinger werden sich nicht damit zufriedengeben, einfach nur die Burg meines Vaters anzugreifen.“ Ich schaute zwischen den beiden hin und her. „Ich denke, Epona sagt uns, dass wir nicht sicher sind.“ So verrückt das auch klang, wusste ich doch, dass es stimmte. Vielleicht erlebte Rhiannon gerade das Gleiche in Oklahoma – eine seltsame Fähigkeit, Dinge intuitiv zu spüren, von denen man vorher noch nie etwas gehört hatte.
„Ja, Lady Rhiannon, das ist ein Omen, das uns vor drohender Gefahr warnt.“ Mit einem Mal war ClanFintan ganz sachlich und kurz angebunden. „Mit Ihrer Erlaubnis werde ich nach den Fintan-Kriegern rufen lassen, damit sie der Palastwache helfen, die zwischen dem Tempel und MacCallans Burg lebenden Menschen zu evakuieren. Sie können alle hierherkommen. Wie Sie wissen, hatte Epona diese Anlage extra so bauen lassen, dass sie einfach zu verteidigen ist. Die Menschen werden hier sicherer sein. Ich nehme an, Sie haben ausreichend Proviant für Notfälle gelagert?“
Alannas zustimmendes Nicken half mir, etwas freier durchzuatmen.
„Gut. Die MacCallan-Burg ist einen zweitägigen scharfen Ritt von hier entfernt.“
ClanFintan hatte seine Wanderung durch den Raum wieder aufgenommen.
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