Ausersehen
irritiert.
„Nein!“ Ich merkte, dass meine Stimme schrill klang, und versuchte schnell, sie wieder unter Kontrolle zu bekommen. „Ich möchte allein sein. Bitte weckt keine meiner Wachen auf. Die Stalldiener sollen einfach nur mein Pferd für mich satteln.“
„Wie Sie befehlen, Mylady.“
Ich folgte ihm auf dem Fuß, als er sich umdrehte und sich einer der Türen zuwandte, die, wie ich annahm, ein Extraausgang zu den Ställen war. Ich sah, dass er einmal über die Schulter zurückschaute, und bemerkte den irritierten Gesichtsausdruck, als er mich direkt hinter sich gehen sah, aber ich nahm an, er war daran gewöhnt, dass Rhiannon sich wie eine Irre benahm – das hier waren sehr wahrscheinlich Peanuts im Gegensatz zu ihrem sonstigen Verhalten.
Der süße Wachmann führte mich einen Flur entlang, der sich in entgegengesetzter Richtung zu dem Korridor befand, der mich zu meiner Handfeste und dem anschließenden Festmahl gebracht hatte. Nach wenigen Schritten kamen wir an eine mit Schnitzereien verzierte Doppeltür. Mr. Muskel sprach mit den beiden Wachen, und sie beeilten sich, die Türflügel zu öffnen. Dann eilten sie los, um die Stalldiener zu wecken. Ich betrat den Stall, und mein kleines Oklahoma-Pferdemädchenherz klopfte wie verrückt.
Der Stall war einer Königin würdig. Mindestens. Die Boxen waren aus dem gleichen milchfarbenen Marmor erbaut wie der Tempel und die ihn umgebende Mauer. Sie lagen links und rechts von einer breiten Stallgasse. Es waren vielleicht zwanzig großzügige Kammern auf jeder Seite. Während ich die Gasse hinunterging, konnte ich nicht anders, als an jeder einzelnen Box stehen zu bleiben und die wundervollen Pferde zu bewundern. Es waren alles Stuten. Von eleganten Falben mit dem Aussehen eines Arabers bis zu langbeinigen, fuchsfarbenen Warmblütern war alles dabei. Als ich zwischen ihnen entlangschritt, war ich berührt davon, wie die Pferde mich wiederzuerkennen schienen. In jeder Box hob die darin stehende Stute ihre weiche Schnauze und blies leise in meine Richtung, freute sich auf mein Streicheln und meine geflüsterten Schmeicheleien.
„Hey, hübsches Mädchen.“
„Hallo, du Süße.“
„Oh, sieh einer die feine Lady an.“
Die Stuten wieherten ihre Antworten, wetteiferten um meine Aufmerksamkeit. Es war das ganz normale Geplauder eines Mädchens, das mit Pferden aufgewachsen war. Die Stuten reckten ihre Köpfe über die Halbtüren ihrer Boxen und warteten auf meine Berührung. Was auch immer Rhiannon sonst sein mochte, sie liebte ihre Pferde, und die erwiderten dieses Gefühl. Noch ein Häkchen in der Spalte „Gemeinsamkeiten von Shannon und Rhiannon“. (Ich versuche, diese Spalte nicht zu lang werden zu lassen.)
Am Ende machte die Stallgasse einen Bogen nach links und weitete sich zu einer riesigen Box, die direkt an einen Korral grenzte. Ich erkannte ihn als den wieder, den ich mit meinem Seelenkörper besucht hatte. In dem großzügigen Areal (das mich, auch wenn es komisch klingt, irgendwie an Rhiannons Schlafzimmer erinnerte) bereiteten drei zauberhafte (wenn auch etwas zerzauste und verschlafene) Nymphen die silberweiße Stute für mich vor. Ich betrat die Box, und die Nymphen hielten lange genug inne, um sich vor mir zu verbeugen, bevor sie mit dem Putzen des Pferdes fortfuhren.
Ich blieb stehen und stieß einen glücklichen Seufzer aus. Was für ein wunderschönes Tier. Sie war überwältigend, noch außergewöhnlicher, als sie mir in meinem Traum vorgekommen war. Sie bemerkte meine Anwesenheit, und es freute mich, dass sie ihren perfekten Kopf herumdrehte, damit sie mich sehen konnte. Sie schickte mir ihre Begrüßung mit einem wunderschönen Nicken ihres Kopfes, das mich vor Freude laut auflachen ließ.
„Dir auch ein großes Hallo, Zaubermädchen.“ Gespannt ging ich auf sie zu, nahm einer der Dienerinnen den Striegel aus der Hand und genoss es, das glatte Fell unter der weichen Bürste zu spüren.
Ich liebe es, Pferde zu striegeln. Schon immer. Zu viele Pferdebesitzer denken, dass das Pflegen der Pferde oder das Ausmisten des Stalls unter ihrer Würde ist. Sie verabscheuen die gewöhnlichen Tätigkeiten im Umgang mit ihren Pferden. Das war bei mir nie so. Seitdem ich ein kleines Kind war, habe ich den Geruch im Stall geliebt, und das Gefühl, das sich einstellt, wenn ich das Fell und die Box meines Pferdes reinige. Es ist ein Liebesdienst. Es ist wie in der Sonne zu liegen oder Rosen zu beschneiden – eine Geist und Körper reinigende
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