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Ausersehen

Ausersehen

Titel: Ausersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. C. Cast
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es diese fürchterlichen, Menschen fressenden Kreaturen nicht gäbe, wäre das hier ein schöner Ort zum Leben.
    Was mich daran erinnerte, dass ich, anstatt hier wie ein japanischer Tourist im Vatikan mit offenem Mund zu sitzen, lieber dem Lauf des Flusses in Richtung Meer folgen sollte. Ich hatte Wichtigeres zu tun, als einen hübschen Tempel zu bestaunen. Und ganz sicher hatte ich keine Kamera dabei. Ich meine, bitte, wo würde man hier die Speicherkarte auslesen können?
    Ich lenkte die Stute in Richtung Fluss. Die Nacht war klar und still, wofür ich dankbar war. Ich wusste, dass ClanFintan im Schloss dabei war, seine Zentauren zu wecken und ihnen Anweisungen zu erteilen, damit sie die Menschen in Sicherheit brachten, also beugte ich mich über den Hals der Stute und gab etwas mehr Druck mit meinen Schenkeln, sodass sie in weichen Galopp fiel. Es wäre nicht gut, wenn ich hier auf freiem Feld entdeckt würde und mich einem entsetzlich peinlichen öffentlichen Machtkampf stellen müsste, um zu erklären, was ich vorhatte. Zumal die Chancen gut standen, dass ich ihn verlieren würde. Rhiannons Macht schien beeindruckend zu sein, aber ich fragte mich, wie weit sie reichte, wenn meine Wünsche den Sicherheitsvorstellungen für Eponas Auserwählte entgegenstanden.
    Bald schon erreichten wir das Flussufer und wandten uns gen Westen. Der Fluss war imposant. Ich konnte nicht sagen, wie tief er war, aber er war sehr breit und die Strömung schnell. Er roch gut, nicht nach Fisch und Moder wie der Mississippi, sondern klar und steinig wie der Colorado River. Bäume säumten das Ufer, und erleichtert sah ich, dass die Stute einen schmalen Weg gewählt hatte, vielleicht eine Art Hirschpfad, der parallel zum Fluss verlief. Es gab nicht so viel Unterholz, dass sie ohne den Pfad ihren Weg nicht gefunden hätte, aber so ging es schneller und war einfacher. Vor allem, weil ich auf keinen Fall auf der Straße reiten wollte, die ich vom Tempel aus gesehen hatte. Sie schien zwar generell in die Richtung zu führen, in die ich wollte, aber sie sah auch aus, als würde sie viel benutzt werden. Gut, es war kein vierspuriger Highway, aber ich war mir sicher, dass sie beim ersten Tageslicht von Zentauren und Menschen bevölkert werden würde. Ich schätze, es war nicht unbedingt davon auszugehen, dass sie es nicht merkten, wenn Eponas Auserwählte auf ihrer schimmernden silberweißen Stute zwischen ihnen dahintrottete.
    Dieselbe schöne Stute, deren Zügel ich jetzt anzog, damit sie eine gemäßigtere Gangart einlegte, denn auch wenn sie in großartiger Verfassung zu sein schien, hatten wir zwei harte Reisetage vor uns, und kein Pferd konnte zwei Tage lang galoppieren. Ich klopfte zärtlich ihren Hals und merkte, wie ich mich entspannte. Ich fand den richtigen Sitz, und sie fiel in leichten, uns gut voranbringenden Trab.
    „Hey, Zaubermädchen, wie nennt Rhiannon dich?“ Beim Klang meiner Stimme richtete sie ihre zarten kleinen Ohren auf. „Ich kann dich nicht weiterhin ‚die Stute‘ nennen, das ist unhöflich. Das ist so, als würde mich jemand ‚die Frau‘ nennen oder, meinem Verhalten in letzter Zeit angemessener, ‚die Zicke‘.“ Sie nickte in offensichtlicher Zustimmung mit dem Kopf. In dieser Welt konnte man nie wissen – vielleicht verstand sie meine Worte tatsächlich. „Hier nennt dich sehr wahrscheinlich jeder Epona, aber das klingt mir zu formal und steif.“ Ich streckte meine Hand aus und zerzauste ihre Mähne. „Wie wär’s, wenn ich dich Epi nenne? Das klingt vielleicht nicht ganz so vornehm, aber in meiner Welt ist vornehm meistens gleichbedeutend mit dem, wie Politiker erscheinen wollen. Also langweilig.“ Ich glaube nicht, dass sie an einer deprimierenden Lektion über den Untergang der amerikanischen Politik interessiert war, doch die zwei Tage konnten lang werden, und ich merkte mir die Geschichte, um vielleicht später darauf zurückzukommen. (Falls ich verzweifelt nach einem Gesprächsthema suchen sollte.)
    Ihr freches Schnauben und ein kleiner Schritt seitwärts waren mir Antwort genug. „Okay, dann also Epi.“
    Ich ließ meine Finger durch ihre weiche Mähne gleiten und richtete mich auf einen langen Ritt ein. Mir war von Anfang an klar, dass Epi kein Pferd war, das viel Aufmerksamkeit von seinem Reiter brauchte. Sie war klug und sehr wohl in der Lage, einem Weg zu folgen, ohne dass ich ihr sagte, was sie tun sollte. Also lehnte ich mich ein wenig zurück und genoss den Ausblick. Es war ein

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