Ausersehen
seidenen Oberteil und schnappte mir das zur Hose passende Stück Leder (dessen Bindung mich beinahe in den Wahnsinn trieb – langsam verstand ich, wieso ich Alanna als Anziehhilfe brauchte). Ich wollte sie aber nicht wecken und eine Trilliarde Fragen beantworten müssen, also kämpfte ich mich allein mit den Bändern und Schnüren ab (wobei ich weiter „I Am Woman“ vor mich hinsummte …). Endlich hatte ich das Top korrekt angezogen. Es gefiel mir, dass die Kleidung nicht nur äußerst schmeichelhaft aussah, sondern offensichtlich auch fürs Reiten gemacht worden war. Sie passte sich jeder Bewegung meines Körpers an und bot gleichzeitig einen Halt, auf den Victoria’s Secret stolz wäre. (Mal im Ernst: Ich bin fünfunddreißig, meine lieben „C-Cup-Mädels“ sind alt, und Schwerkraft ist eine böse Macht, wenn Sie wissen, was ich meine.) Also war ich froh, festzustellen, dass ich das keltische Äquivalent zu einem Sport-BH trug. Damit könnte ich vermutlich auch auf Bäume klettern oder Drachen erledigen (auch wenn ich ernsthaft hoffte, dass es dazu nicht kommen würde).
Weit unten im Schrank fand ich noch sehr coole Stiefel. Sie waren aus dem gleichen buttergelben Leder und sehr biegsam und geschmeidig. Sie hatten dicke Sohlen, beinahe wie Mokassins. Als ich mir ein Paar schnappte, fiel mein Blick auf die Unterseite, und was ich sah, ließ mich lächeln: Eingeritzt in die Sohle war ein dicker fünfzackiger Stern.
Wo ich auch hinging, würde ich sternförmige Fußabdrücke hinterlassen. Das konnte nicht mal Barbie.
So, nun war ich also angezogen, aber …
Ich erinnerte mich zurück an meinen Traum und konnte wieder die Tempelanlage vor meinem inneren Auge sehen. Wenn mein unzureichender Orientierungssinn sich nicht irrte, war der Tempel nach Westen ausgerichtet. Die Bergkette war im Norden und hatte sich, so weit das Auge reichte, nach Westen und Osten ausgedehnt. Auf der Westseite war sie ins Meer übergegangen. Weiter unten an der Küste war Dads Burg. Ich erinnerte mich sehr deutlich an einen breiten Fluss, der hinter dem Tempel entlang in westliche Richtung floss. Der Fluss fand sein Ende nordwestlich und mündete ins Meer. Ich musste nichts weiter tun, als seinem Verlauf vom Tempel aus in Richtung Meer zu folgen und mich dann rechts zu halten. Dann müsste ich automatisch zur Burg kommen.
Zumindest theoretisch.
Ich wusste, dass der Stall auf der Nordseite des Tempels lag und dass ich dort auch die Stute finden würde, aber wie zum Teufel sollte ich zu den Stallungen kommen? Es war ja nicht so, dass ich einfach unbemerkt herumlaufen konnte und irgendwann hoffentlich in Pferdscheiße treten würde. Ich war zwar in diesem Zimmer durch die Decke geflogen, aber ich hatte keine Ahnung, wo genau im Schloss ich mich befand.
Großartig.
Dann hatte ich eine Idee. Beim Gedanken an die anbetungswürdigen Türdekorationen, die ich früher am Tag ausgiebig bewundert hatte, fiel mir eines meiner Lieblingsmottos ein: Im Zweifel einfach einen Kerl bezirzen, damit er dir hilft.
Um es zu überprüfen, schob ich die Finger in mein Haar, das erstaunlicherweise noch immer gut frisiert war (dank Alannas Fingerfertigkeit). Dann ging ich zu der Tür, von der ich annahm, dass sie auf den Flur führte und nicht in Alannas oder ClanFintans Zimmer. Ich öffnete sie schnell und überraschte die Jungs.
Meine Güte, die waren aber auch lecker.
Flacher Bauch, bloße Brust, starkes Kinn. Winzig kleine Bedeckungen und … (ganz im Charakter von Rhiannon, der Schlampe, bleibend, konnte ich nicht anders, als einen Blick darauf zu werfen) große … Pakete, und ich rede hier nicht von UPS.
Sie schmissen sich in eine ziemlich anbetungswürdige Habachtstellung. Ich gab mich so hochmütig, wie ich konnte (während ich versuchte, nicht zu sabbern), und sah dem Größeren der beiden in die Augen.
„Ich möchte ausreiten.“
Er blinzelte.
„Jetzt.“
Er blinzelte noch einmal. Wieso nehme ich immer an, dass größere Männer cleverer sind? (Notiz für mich: Größere Jungs sind nicht klüger, sie sind nur attraktiver.)
„Nun, informiert bitte die Stall… ähm … die Diener, dass sie mein Pferd für mich satteln sollen.“ Ich hoffte, dass Rhiannon mit irgendeiner Art Sattel ritt. Tief durchatmend versuchte ich, selbstsicher und ein bisschen zickig zu wirken – das war nervtötenderweise plötzlich viel schwieriger als sonst immer.
„Herrin, soll ich Ihre Eskorte aufwecken?“
Mr. Muskel wirkte immer noch
Weitere Kostenlose Bücher