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Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Titel: Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Byron
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unter zehn Imitaten auf fünf Meter Entfernung mit verbundenen Augen. Die hiesigen Juweliere freuten sich stets über meine Stippvisiten, nie verließ ich den Laden ohne ein kleines Tütchen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Doch diese Smaragde, die sich vor mir befanden, waren in ihrer Reinheit unbezahlbar.
    „Weißt du, so erfrischend schlagfertig hat mir schon lange niemand mehr geantwortet“, riss mich mein Gegenüber, das nicht mal einen Meter von mir entfernt stand, aus meinen mal wieder abschweifenden Gedanken. Wenn es eines gab, worauf ich mich verlassen konnte, dann war es meine Fähigkeit, vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen, selbst in der unpassendsten Situation.
    „Ach ja?“, meinte ich leicht schnippisch. „Vielleicht sollten Sie öfter mal in den Park gehen; die hiesigen Eichhörnchen sollen wahre Rhetorikgenies sein.“ Oh, verdammt. Schnell biss ich mir auf die Zunge. Mit jeder Salve ritt ich mich nur noch tiefer ins Verderben. „Bei denen habe ich bereits angefragt, doch die bestehen bei ihren Empfängen auf Fell.“
    Hörte ich da einen kleinen Hauch Ironie heraus? Ich blickte zaghaft in die Smaragdaugen. Sie glitzerten noch feucht von den Tränen, die das Lachen an die Oberfläche gedrückt hatte. Jetzt erst kam ich dazu, einen genaueren Blick auf das Gesicht des Mannes zu werfen und bemerkte die markanten Wangenknochen, das strenge Kinn und die im Vergleich dazu wunderbar weich gezeichneten Lippen. Was für ein schöner Mann, schoss es mir in derselben Sekunde durch den Kopf. Zum Sterben schön. Und von so stattlicher Größe: Ich schätzte ihn grob auf einen Meter neunzig. So lässig, wie er vor mir stand, die Hände in den Jackentaschen versteckt, das eine Bein leicht entlastet, konnte man sich in seiner Gegenwart beinahe wohl fühlen. Aber nur beinahe, er war schließlich ein vollkommen Fremder. Ein wildfremder Mann nachts im Park, der nicht nur eine unbekannte Frau ansprach, sondern vermutlich auch sonderbare Präsente auf merkwürdige Art und Weise auf Balkonen hinterließ.
    Zack! – da hatte sie mich wieder, die Stimme der Vernunft, die Stimme der Angst, nicht zu wissen, mit wem ich es hier zu tun hatte und ob diese hübsche Aufmachung nur der Köder war für eine abscheuliche Absicht, an deren vermeintliche Existenz ich gerade nicht wirklich denken wollte. Ich beschloss einen Frontalangriff.
    „Nun, was die Einladungskriterien der Hörnchen betrifft, kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen. Ich für meinen Teil bestehe nicht auf Fell bei meinen Partys, dafür aber auf eine gewisse Etikette. Das heimliche Drapieren mysteriöser Gaben auf fremden Balkonen gehört sicher nicht dazu. Ich bin da etwas altmodisch und bevorzuge lieber eine gute Flasche Wein. Und zwar durch die Vordertür.“
    Dachte ich bisher, seine Augen würden funkeln, so wurde ich umgehend eines Besseren belehrt. Etwas blitzte in ihnen auf, dass es mir fast den Atem verschlug. War es Belustigung? Oder etwas völlig anderes? Hatte ich mich etwa doch verkalkuliert und damit der Boulevardpresse eine neue Schlagzeile für die nächste Ausgabe geliefert: „Junge Frau erdrosselt im Park aufgefunden“?
    Doch anstatt mich auf der Stelle zu meucheln, tat er etwas Unerwartetes. Er verlegte seinen Schwerpunkt und lehnte sich mit seiner rechten Seite gegen den Baum, einen Arm abstützend auf den Stamm gelegt. Genau mir gegenüber, nur wenige Zentimeter entfernt. Mir stockte der Atem.
    „Schlagfertig und mutig. Eine Kombination, die man bei einer Frau nicht gerade häufig findet. Und besonders nicht gegenüber einem Fremden nachts im Park.“ Er lächelte erneut und entblößte dabei seine unglaublich perfekte Reihe weißer Zähne. Gott, ich musste ihn wirklich nach seinem Dentisten fragen. Später. Falls ich dann noch am Leben sein sollte. „Ein Mädchen tut, was es kann“, entwischte es mir. Mittlerweile war mir klar, dass ich den Bogen schon zu sehr überspannt hatte, um jetzt auf kleines, armes Hascherl zu machen.
    Vielleicht wäre das in dieser Situation auch das gänzlich Falscheste gewesen? Er wollte Schlagfertigkeit? Konnte er haben. Mut? Ja, der war auch im Angebot, und zwar der Mut der Verzweiflung. Was hätte ich drum gegeben, wäre ich mal so tough gegenüber meinem Chef bei den Gehaltsverhandlungen aufgetreten.
    Ich wusste aus Filmen, dass das einzige, was Psychopathen noch lieber taten als morden, über sich selbst zu reden war.
    „Also“, setzte ich dementsprechend an, bevor eine zu große Lücke

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