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Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Titel: Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Byron
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entstand, „wenn Sie nun bitte so liebenswürdig wären, mir zu erklären, was Sie auf meinem Balkon zu suchen hatten und was Sie mit Ihrem merkwürdigen Geschenk bezweckten? Anhand Ihrer Haare und Ihrer Anwesenheit hier gehe ich einfach mal davon aus, dass Sie der mysteriöse Schenker sind. Oh, und wenn wir schon dabei sind: Wie haben Sie mich überhaupt gefunden, und was in drei Teufels Namen wollen Sie ausgerechnet von mir?“ Auf das „Sie“ legte ich dabei eine besondere Betonung, denn es war mir nicht entgangen, wie ich die ganze Zeit über brav die Etikette befolgte und der Herr dagegen sofort zum Duzen übergegangen war. Das fand ich ganz schön dreist. Aber war jetzt der richtige Zeitpunkt, sich ernsthaft darüber aufzuregen? Er verzog ein wenig seine Miene. Nicht gut. Irgendwas hatte ihm missfallen. Das Fluchen? Verdammt, ich war übers Ziel hinaus geschossen.
    „Sei vorsichtig in der Wahl deiner Worte. Manche haben mehr Kraft, als du ahnst, Aline.“ In Millisekunden schnürte es mir die Kehle zu. Beinahe hätte ich nach Luft gejapst, so erschreckend fühlte sich die Erwähnung meines Namens in dieser Situation an. Mein Name. Er kannte ihn. Komm schon, reiß dich zusammen, versuchte ich klar zu denken, er hat dich verfolgt, er war auf deinem Balkon … Offensichtlich hatte er die Klingelschilder gezielt ausspioniert. Ich war noch nie begeistert davon gewesen, dass die Hausverwaltung auf die Beschilderung mit Vor- und Zunamen bestand. Man fand das einfach schick. Für die Bedenken einer jungen Singlefrau hatte man dagegen kein Verständnis. Etwas vorsichtiger wagte ich einen erneuten Vorstoß.
    „Wie ich sehe, haben Sie die Klingelschilder genau studiert.“
    Leicht verächtlich schnaubte er aus, schüttelte den Kopf und bedachte mich mit einem spöttischen Lächeln. Er taxierte mich von oben bis unten mit einem Blick, der mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagte. Wie eine Schlange, die gleich das Kaninchen frisst, schoss es mir durch den Kopf. Doch ich kam nicht dazu, erneut zu sprechen. „Eines muss ich dir lassen, du kommst schnell und ohne zu zögern auf den Punkt. Du hast recht, ich bin dir tatsächlich einige Antworten schuldig. Allerdings vermag ich dir nur wenige selber zu geben. Einiges musst du selbst erkennen, und vieles wird sich erst noch formen, da die Fragen bisher nicht gestellt wurden.“
    Nun, das war mir dann doch eine Spur zu kryptisch, und meine Wut fing langsam an, an der Stelle zu brodeln, wo vorher noch ängstliche kleine Vögel umhergeschwirrt waren. Ich wollte Antworten, hier und jetzt. Meine Hand, die immer noch auf dem Stamm der Pappel lag, fing allmählich an zu schmerzen, und als ich auf sie herabblickte, sah ich, dass ich mich die ganze Zeit über in die Rinde gekrallt hatte. Meine Finger atmeten beinahe hörbar auf, als ich sie aus ihrer verkrampften Haltung löste. Jetzt war dann doch mal der Punkt gekommen, an dem ich auf alle Vorsicht pfiff und meinen Ärger an die Oberfläche kochen ließ. Es war dunkel, und ich spürte auf einen Schlag die Müdigkeit über mich kommen, sodass ich gar nicht in der Laune für prosaische Rätselgeschichten war.
    „Sagen Sie mir einfach, wer Sie sind und was Sie von mir wollen!“, knurrte ich. „Ich kann dir zumindest sagen, was ich nicht bin. Ich bin nicht das, was du zu sehen glaubst. Nicht der, für den du mich halten magst.“
    „Na, Sie werden doch aber sicher einen Namen haben!“, raunzte ich ihm entnervt entgegen. Er seufzte leise.
    „Dass Namen immer so wichtig sind. Sie sind nichts als Schall und Rauch.“
    Mir gefiel sein Tonfall nicht. Es war der eines Erwachsenen, der herablassend mit einem kleinen, trotzigen Kind sprach, das empört mit seinem kleinen Beinchen auf dem Boden aufstampfte. Offenbar hatte er meine Verstimmung bemerkt, denn er beeilte sich fortzufahren: „Du hattest noch eine Frage gestellt. Du wolltest wissen, warum ich dich besucht habe.“ Das wurde ja immer besser.
    „Na, wenn Sie nächtliches Turnen vor fremden Wohnungen besuchen nennen, dann möchte ich nicht wissen, wie es aussieht, wenn Sie mal angemeldet hereinschneien!“ Ich gab mir keine Mühe, meinen Ärger zu unterdrücken.
    „Ach, Aline …“, seufzte mein Gegenüber, „… so jung, so erfrischend ehrlich und unbedarft.“ Bitte? Doch gerade, als ich lospoltern wollte, nahm er mir den Wind aus den Segeln.
    „Das gefällt mir. Das gefällt mir sogar sehr.“
    Diese Worte besaßen eine solche Intensität, dass mir eine

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