Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
leichtes Tätscheln meines Unterarmes. Unsichtbare Nadelstiche bohrten sich unbarmherzig in meine Epidermis, dort, wo er mich berührte.
„Oh, du Dummerchen. Auch wenn ich hier und da unsere Gesetze beuge, so habe ich sie bisher noch nie missachtet oder gebrochen. Ich sorge nur dafür, bei aller Rechtschaffenheit nicht zu kurz zu kommen. Aber gut, da du verwundet bist und deine Schmerzen offenbar deine Denkfähigkeit beeinflussen, will ich ausnahmsweise“ – dieses Wort betonte er, indem er es gespielt gelangweilt in die Länge zog – „nicht so sein.“
Leicht wie eine Feder erhob sich Mael von meinem Bett, nahm die Spritze vom Nachttisch und ging hinüber zu Daron, der nach wie vor durch die Betäubung wie ein Engel friedlich schlummernd da lag. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was gerade in ihm vorgehen musste, wenn er wirklich bei vollem Bewusstsein war und alles live mit anhören konnte. Wahrscheinlich schrie er gerade und kämpfte wie ein Wahnsinniger gegen das Gift in seiner Blutbahn an.
Mael tippte mit seinem Zeigefinger zweimal gegen die Spritze, drückte dann einige Tropfen aus der Nadel heraus und legte sie an Darons Armbeuge an. Eiseskälte fuhr durch mich hindurch, als ich sah, was Mael zu tun gedachte.
„Nein!“, schrie ich und musste durch eine neue Schmerzattacke erneut würgen.
Wieder bedachte Mael mich mit seinem schauerlichen Lächeln.
„Ich sehe, wir verstehen uns. Wär doch wirklich schade um ihn. So ein stattliches Bürschchen. Trotzdem wäre er für mich ein durchaus zu verschmerzendes Opfer auf dem Weg zu meiner absoluten Macht, denn jeder Sieg kommt mit einem Preis. Ich konnte noch nie besonders gut mit ihm – all diese Reinheit und Unbeflecktheit, zum Erbrechen öde. Ich persönlich würde ja eher den verruchten Typ vorziehen, so etwas wie mich. Aber gut, Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden, und wenn ihr beide euch so sehr liebt … Also, Alinchen, sag mir: Was bist du bereit, mir zu geben, damit ich Daron verschone? Bedenke dabei deine Rolle in diesem Spiel und das, was dir selbst dabei wichtig ist. Willst du fortan leben in dem Wissen, den Mann, der dich wirklich geliebt hat, für das Fortbestehen deiner eigenen Existenz geopfert und dadurch eine Sünde auf dein Gewissen geladen zu haben? Oder gibt es vielleicht eine andere Möglichkeit, die euch beide weiterleben lässt und mir trotzdem bei meiner Karriere sehr entgegenkommt?“
Mit funkelnden Augen voller Arglist blickte Mael auf mich hinab, während er die Nadel weiter in Darons Armbeuge drückte.
Erst verstand ich nicht, was er von mir wollte. Mir war das alles zu kryptisch, und der Schmerz in meinem Kopf erleichterte mir das Denken nicht gerade. Doch als ich die einzelnen Puzzleteile in meinem Hirn zusammensetzte, ergab sich langsam, aber sicher ein Bild. Ein Bild, das durch seine plastische Darstellung in einer tausendstel Sekunde die Schublade meiner Emotionen wieder aufschloss und mir tiefste Verzweiflung ins Herz hineintrieb, durchsetzt mit Ekel und purer Angst. Ich war nahezu geplättet von Maels Durchtriebenheit, als mir bewusst wurde, worauf er anspielte.
Er wollte, dass ich mich ihm im Austausch gegen Darons Leben hingab. Im vollen Bewusstsein dessen, dass ich damit willentlich meine Reinheit aufgab, eine Sünde beging und unsere Liebe zerstörte. Somit wäre nicht nur unser beider Schicksal zu seinen Gunsten besiegelt, nein, er hätte zudem neben der körperlichen Befriedigung auch noch die sadistische Genugtuung, dass sowohl Daron als auch ich wahrscheinlich nie über den Verlust unserer Liebe hinwegkommen würden. Gezeichnet für immer aus Liebe füreinander. Als mir das klar wurde, schossen mir ungeachtet meiner Kopfschmerzen die Wuttränen in die Augen und verschwammen mir die Sicht.
„Ich sehe, du bist ein wirklich kluges Kind“, lachte Mael, und seine Stimme bohrte sich abermals wie ein brennender Schürhaken in meinen Kopf. „Und, wie lautet deine Antwort? Ich habe schließlich nicht den ganzen Tag Zeit.“
Mit diesen Worten bohrte er die Nadel ein Stück tiefer unter Darons Haut, sodass der erste kleine Blutstropfen über seine Armbeuge lief.
Scheiße, was sollte ich nur tun? Ich konnte es unmöglich mit diesem Widerling treiben und dabei meine Beziehung zu Daron zerstören, aber ich konnte genauso wenig aufgrund egoistischer Motive die endgültige Verbannung meines Freundes, meines Seelengefährten, aus dieser Welt in Kauf nehmen, indem Mael durch das Aevum dessen Körper
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