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Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Titel: Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Byron
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all meinen Sinnen.“
    Und ohne eine Antwort meinerseits abzuwarten, küsste er mich erneut mit einer Leidenschaft und Hingabe, dass mir beinahe schwindelig wurde. Insgeheim war ich mir aber nicht so sicher, dass nur der Kuss dafür verantwortlich war.
    Er hatte gesagt, dass er sich in mich verliebt hatte. In mich! Die kleine, zynische Singlefrau mit dem kurzen roten Wuschelkopf und der vorlauten Klappe, die gedacht hatte, kein Mann der Welt würde sich je für sie interessieren. Meine Gedanken begannen, in meinem Kopf Karussell zu fahren, und so entschloss ich mich entgegen all meiner Gewohnheit, mein Gehirn auszuschalten und mich einfach nur treiben zu lassen auf dieser Gefühlswelle, von der ich dachte, dass sie mich nie wieder erfassen würde.
    Und ganz tief in mir drin, an einem längst verloren geglaubten Ort, musste ich zugeben, dass ich selber mich bereits in dem Moment, als Daron in der Tür stand, genauso hoffnungslos in ihn verliebt hatte.

11
    Wir verbrachten den ganzen Abend und die halbe Nacht küssenderweise auf dem Sofa. Einmal unterbrachen wir, um Luft zu holen und einen weiteren Schluck des wirklich ausgezeichneten Rotweins zu genießen. Einen guten Wein sollte man schließlich nicht verkommen lassen, hatte mein Vater früher immer gesagt. Ach, Papa …
    Die Erinnerung an ihn holte mich ein wie ein Bumerang, den ich vor langer Zeit wegzuwerfen versucht hatte und der nun durch den Anblick der rubinroten Flüssigkeit in meinem Glas und deren lieblich leichten Geschmack schlagartig zu mir zurückkehrte. Ich reagierte zu spät und schaffte es nicht rechtzeitig, meine emotionale Schutzbarriere wieder zu schließen, die ich für Daron ein großes Stück geöffnet hatte. Der Treffer schmerzte umso mehr.
    Mamas Anruf vor vier Jahren auf der Arbeit knallte mir mit voller Wucht zurück in mein Bewusstsein. Ich dachte daran, wie sie mich hysterisch am Telefon angeschrien hatte, ich solle sofort ins Krankenhaus kommen, Papa hätte einen Unfall mit dem Bus gehabt. Wie ich in diesem Moment nicht mehr klar hatte denken können, wie mein Körper mir den Gehorsam verweigert hatte, sodass mir der Hörer aus der Hand geglitten war. Ich erinnerte mich an meine Kollegin Jenny, die erst den Hörer und dann mich aufgefangen hatte, um mich anschließend ins Krankenhaus Sankt Hildegard zu fahren. Ich selber hatte mich wie in einer Schockstarre befunden, mein Kopf war leer und meine Gefühle lagen brach. Heute weiß ich, dass das eine Schutzreaktion meines Gehirns gewesen war, damit mich das Gewicht der Realität nicht zerquetschte wie eine kleine Fliege. Ich hatte damals nichts davon mitbekommen, wie Jenny mit meiner Mama weiter telefoniert und sich die Adresse notiert hatte, oder wie sie zu Florian gegangen war, um ihn über die schlimmen Nachrichten und unseren Aufbruch zu informieren. Den gesamten Weg in die Klinik hatte ich wie ferngesteuert erlebt, und hätte man mich damals nach meinem Namen gefragt, dann hätte ich ihn nicht nennen können. Das konnte ich später tatsächlich nicht, denn als wir ins Krankenhaus kamen, hatte uns eine Schwester um diese Auskunft gebeten. Ich wusste meinen Namen einfach nicht mehr und schaffte es nicht mal, einen einzigen vernünftigen Gedanken zu fassen. Jenny war in diesem Moment mein rettender Engel und erledigte alles für uns. Sofort waren wir in den Warteraum drei geschickt worden, in dem bereits meine Mama und Betty saßen. Beide leichenblass, meine Mama vollkommen aufgelöst, während Betty ihr beruhigend einen Arm um die Schultern gelegt hatte und leise auf sie einredete. Betty hatte an diesem Tag meine Mama zum allwöchentlichen Weibertratsch besucht. Der schreckliche Anruf hatte sie beide ereilt, als sie sich gerade ein schönes Glas Rotwein gönnen wollten. Papa war ein Fan guten Weines gewesen, und auch wenn er sich von seinem kleinen Gehalt nie wirklich einen teuren Wein hatte leisten können, hatte er die ganze Familie mit seiner Begeisterung für den roten Saft angesteckt. Jeder Wein, egal wie billig, war stets standesgemäß dekantiert und genossen worden. Meine Ma hatte seit seinem Tod nie wieder einen Rotwein ansehen, geschweige denn trinken können. Der Weg durch den Supermarkt wurde für sie, wenn sie an den Weinregalen vorbei musste, zu einem wahren Spießrutenlauf. Bei mir war das anders. Bei jedem Schluck dachte ich immer irgendwie an meinen Vater und daran, wie gut ihm dieser Wein sicher geschmeckt hätte.
    Jenny hatte mich damals im Warteraum abgeliefert und

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