Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
Scheiß. Und nun raus mit der Sprache!“
„Nun gut“, erwiderte der Fremde, während er sich auf seine schmerzende Hand blies, gleich einem Kind, das sich ein Knie aufgeschlagen hatte. „Ich weiß zwar nicht, ob du mutig bist oder einfach nur töricht, aber so oder so hast du Schneid. Das verdient Anerkennung und eine Belohnung. Ich heiße Mael und finde, wenn mir die Bemerkung gestattet ist, dass Daron eine durchaus interessante Wahl getroffen hat. Haare wie Feuer und Augen wie ein Reh, aber ein Temperament wie eine Rassestute. Ich habe meinen kleinen Bruder wirklich unterschätzt.“ Ich überhörte den unverschämten tierischen Vergleich.
„Sie sind Darons Bruder?“, wiederholte ich ungläubig. Erst jetzt fiel mir auf, dass Maels Gesichtszüge tatsächlich denen Darons ähnelten. Man musste nur die blauen Augen gegen grüne tauschen und sich statt der blonden Locken eine schwarze Mähne denken. Meine Verwunderung musste sich auf meinem Gesicht widergespiegelt haben, denn Mael begann zu grinsen.
„Ich sehe, du erkennst unsere Verbindung.“
„Mag sein“, entgegnete ich misstrauisch. „Das erklärt aber immer noch nicht, was Sie und Ihr Bruder für ein krankes Spiel mit mir spielen und warum ich hier mit Ihnen auf der Couch liege.“ Ich startete einen Versuch, mich aus seinem Griff zu winden, musste aber schon nach wenigen Sekunden feststellen, dass Maels Hände mich festhielten wie ein Schraubstock.
„Oh, du dummes kleines Ding, du tust dem armen Daron unrecht. Er weiß gar nicht, dass ich hier bin. Er weiß nicht mal, dass ich von dir weiß. Ich gehe wohl recht in der Annahme, er hat dir noch nichts von uns erzählt?“
Jetzt war ich doch mehr als verblüfft.
„Wer ist ‚uns‘ und was soll er mir erzählt haben?“
Erneut ließ Mael sein glockenhelles Lachen erklingen, das mir langsam wie ein Messer in die Haut zu schneiden begann.
„Ich rede von seiner Familie, seinen Geschwistern und seinem … Beruf.“ Mael gluckste bei den letzten Worten wie ein kleines Kind, das sich unbändig darüber freute, etwas zu wissen, was andere seiner Meinung nach – in diesem Fall ich – unbedingt erfahren sollten.
„Nein, hat er nicht. Noch nicht. Er wird mir sicher davon erzählen, wenn er den Zeitpunkt für richtig hält.“ So ganz sicher war ich mir da zwar mittlerweile nicht mehr, aber angesichts mangelnder Alternativen schadete es nichts, ein wenig Selbstvertrauen vorzutäuschen.
„Aber sicher“, kicherte Mael, „wenn du meinst. Eines lass dir jedoch gesagt sein, Kindchen. Pass gut auf dich auf. Du hast ja keine Ahnung, mit wem du dich da eingelassen hast.“
Bei seinen Worten fuhr mir erneut diese widerliche Kälte unter die Haut und stach von innen wie mit kleinen Nadeln, die sich durch meine Epidermis nach außen bohren wollten. Ich überlegte fieberhaft, wie ich aus der klammernden Umarmung herauskommen konnte, denn Mael machte mir eine Scheißangst. Und auch, wenn ich nicht wusste, wie Daron genau in diese Szene passte, so spürte ich doch, dass Mael die Wahrheit gesagt hatte. Dass Daron nichts von all dem hier wusste und nie freiwillig zugelassen hätte, dass ich seinem Bruder auf diese Art und Weise begegnete. Irgendetwas musste passiert sein. Nur was?
„Und nun“, ertönte erneut Maels silbrige Stimme, „lass uns mal sehen, was Daron noch so besonders an dir findet.“
Mit diesen Worten packte er mein Kinn, drehte mein Gesicht dem seinen entgegen und drückte seine Lippen auf meine. Feuer füllte meinen Mund und brannte, als würde es mich verätzen. Selten hatte ich solche Schmerzen erlebt, und schon gar nicht bei einem simplen Kuss. Ich zappelte, trat wild mit den Füßen um mich und landete tatsächlich einen Treffer. Ich konnte in dem Moment nur raten, doch war ich mir sicher, mit meinem Knie Maels Kronjuwelen erwischt zu haben. Offensichtlich überrascht vom Schmerz ließ er von meinem Mund ab und warf mir einen Blick zu, der eine so furchtbare Mischung aus Wut und Begehren enthielt, dass ich schrie. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, also schrie ich, als müsste die Welt um mich herum zerspringen, in der Hoffnung, irgendjemand würde mir helfen.
Eine Hand berührte mich an der Schulter, und ich schrie erneut, bis mir meine Kehle brannte.
„Aline, wach auf, wach auf!“, hörte ich eine mir vertraute Stimme. Ich schlug die Augen auf. Daron kniete über mir und blickte durch den Vorhang seines schwarzen Haares auf mich herab. Sorge erfüllte sein Gesicht, und ohne es
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