Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)
und Zucker reichte. „Eigentlich sind wir wie keine andere Familie.“
Ich nahm mir ganze drei Würfel Zucker und einen großen Schuss Milch. Das musste reichen, um den Kaffee für mich trinkbar zu machen.
„Okay“, sagte ich und probierte meinen ersten Schluck. Der Kaffee war tatsächlich nicht schlecht, und es tat gut, wie seine Hitze mir den Bauch von innen wärmte. So langsam verstand ich, was alle an diesem Getränk fanden. „Was für eine Familie seid ihr denn?“ Nervös drehte Daron seine Tasse in den Händen und wagte kaum, mich direkt anzusehen.
„Lass uns anders anfangen, Aline. Du hast mir vorhin gesagt, du wüsstest selber nur allzu gut, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt. Was genau hast du damit gemeint?“
Na toll.
Jetzt musste ich also als Erste die Hosen herunterlassen.
So war das eigentlich nicht gedacht gewesen.
Aber es war offenbar die einzige Möglichkeit, endlich hinter Darons Geheimnis zu kommen, also: Was blieb mir da anderes übrig? Ich räusperte mich und erzählte den beiden ausführlich von dieser einen Nacht zu Beginn meiner Teenagerzeit, in der meine Minivisionen begonnen hatten, mich zu verfolgen. Wie schwer ich einst damit zurechtgekommen war und dass ich mich irgendwann damit abgefunden hatte. Aufmerksam verfolgten Daron und Alan meine Geschichte und wechselten nur ab und zu einen kurzen Blick.
„Ich weiß nicht, was das ist, und wieso ausgerechnet ich das zweifelhafte Glück habe, von diesem Spuk heimgesucht zu werden, aber ich habe einfach aufgehört, nach dem Warum zu suchen. Darüber reden konnte ich sowieso mit niemandem, es hätte ja keiner verstanden“, schloss ich meinen kurzen Ausflug in die Pubertät und nahm erneut einen Schluck Kaffee, der mir immer besser schmeckte.
„Wir verstehen dich“, sagte Daron und fügte sehr vorsichtig hinzu: „Aline, bitte krieg das jetzt nicht in den falschen Hals, aber traten diese Visionen, um bei deiner Umschreibung zu bleiben, unmittelbar vor oder nach deiner ersten Periode auf?“
Ich dachte, ich hätte mich verhört, und verschluckte mich umgehend am Kaffee. Geistesgegenwärtig hielt ich mir eine Serviette vors Gesicht, damit er mir nicht ungehindert aus der Nase schoss.
„Wie bitte?“, presste ich hustend und mit Tränen in den Augen hervor. Memo an mich selbst: Heißer Kaffee hat definitiv nichts in der Luftröhre zu suchen.
Und auch nichts in der Nase.
Alan unterdrückte mühsam ein kleines Lachen, und ich warf ihm einen bitterbösen Blick zu, aufgrund dessen er zwar entschuldigend die Hände hob, aber nicht wirklich aussah, als täte es ihm leid. Ich konnte es ihm nicht verübeln; ich hätte in dem Moment wohl auch über mich selbst gelacht.
„Tut mir leid, Aline, die Situation ist wirklich schon unangenehm genug, und wir hatten mit so mancher Reaktion von dir gerechnet, aber sicher nicht damit.“
Ich blickte zu Daron, der wie versteinert da saß, doch seine funkelnden Augen verrieten, dass auch er Mühe hatte, sich zu beherrschen.
„Du also auch?“, keuchte ich in die Serviette und musste irgendwie selbst anfangen zu lachen, weil die Situation mehr als bizarr war.
Und weil ich einfach mal lachen musste.
Lachen war der Orgasmus der Seele und lockerte so manch schwieriges Gespräch auf. Daraufhin fingen beide Männer ebenfalls an zu prusten, und für einen kurzen Moment waren wir nichts weiter als drei Menschen, die sich mitten in der Nacht bei einer Tasse Kaffee unterhielten und lachten. Ach, wäre es doch nur so einfach gewesen.
„Gut“, kicherte ich und gab mir Mühe, wieder ernsthaft zu werden, während ich mir die letzten Tränen aus den Augen wischte. „Das ist zwar jetzt sehr persönlich, und ich habe null Peilung, was mein Zyklus damit zu tun hat, aber Ihr habt recht. Es begann kurz nach meiner ersten Periode. Das werde ich nie vergessen, denn ich bekam sie an einem Freitag den dreizehnten. Welche Ironie. Die Visionen setzten dann nur wenige Tage später ein.“
In diesem Moment begann sich ein Verdacht in meinem Kopf zu formen, und schlagartig verging mir das Lachen.
„Ihr wollt mir doch nicht etwa erzählen, dass da ein Zusammenhang besteht?“, fragte ich irritiert.
Daron rutschte etwas unruhig auf seinem Stuhl umher, nahm einen Schluck aus seiner Tasse und sah mir direkt in die Augen.
„Ich fürchte, doch“, antwortete er behutsam. „Aline, du bist nicht wie andere normale Frauen. Das beweisen dir deine Visionen, das hast du selbst schon festgestellt.“
Darauf konnte
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