Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
Vom Netzwerk:
Helga Kramer weinte.
„Ja“, sagte er. Er starrte auf den verhüllten Reichstag.
„Nur noch eine Frage.“ Clara bemerkte eine braune Scherbe auf den Fließen, die
er übersehen hatte. „Als Sie gestern Nacht nach Hause kamen, war da ihre Frau
schon im Bett?“
„Ich denke, ja.“
„Aber Sie wissen es nicht genau?“
„Wir haben getrennte Schlafzimmer. Ich kontrolliere das nicht.“
„Und wo waren Sie?“
„Ich war bei Bekannten, ihre Namen sind Monika und Hubert Schweizer.“ Er griff
nach dem Löffel auf seiner Untertasse. „Gegen halb eins war ich wieder zu
Hause.“
„Nicht bei einem Vortrag?“ Kranich nahm ebenfalls ihren Löffel in die Hand.
„Ihre Frau sagte, sie waren bei einem Vortrag.“
Er sah irritiert auf. „Dann hat sie mich missverstanden.“
„Das ist doch alles Irrsinn!“ Es klirrte hell, als ihm der Löffel auf die
Fliesen fiel. „Helga ist tot!“
Dachte er, sie hätten noch Zeit? Für einen Moment sah Clara dieses Entsetzen in seinen Augen, das auf einen
ernst zu nehmenden Schock hinwies. Sie überlegte, ob sie den
Kriminal-Psychologischen Dienst anrufen sollte, damit sich jemand um den Mann
kümmerte. Clara beugte sich nach vorne, um den Löffel aufzuheben. Der
V-Ausschnitt ihres Kleides öffnete sich. Lechmeier sah hin. Immerhin.
„Herr Lechmeier, noch eins.“ Clara bemühte sich um eine beruhigende Stimme.
„Jemand hat Helga Kramer rote Zettel in Bücher gesteckt und sie damit auch per
E-Mail verfolgt. Wissen Sie etwas darüber?“
„Ich dachte ...“
„Ich dachte“, setzte er wieder an, „sie habe sich das nur eingebildet. Helga
war nämlich in ...“
„Das wissen wir bereits.“ Clara versuchte, ihm in die Augen zu sehen, doch sein
Blick glitt jetzt ziellos umher. „Helga Kramer dachte anscheinend, ihr Mann
Gregor schicke ihr diese Nachrichten.“
„Gregor?“ Er wirkte überrascht. „Wer sagt das?“
„Christine Berger.“
„Das hat Christine gesagt?“ Er schüttelte irritiert den Kopf. Dann verengten
sich seine Augen. „Das ist absoluter Quatsch. Helga war zwar in Therapie, aber
sie war nicht blöd.“
Norbert Lechmeier sammelte die Gläser ein und stellte sie ins Spülbecken. Sein
Blick war fest, als er sich wieder zu ihnen umdrehte. „Gregor ist tot. Daran
gibt es keinen Zweifel.“

10
    Hagen van Velzen stand am Fenster und blickte auf die
Keithstraße hinab. Die Sonne knallte zwischen die Häuserschluchten. Er kniff
die Augen zusammen; im Sommer war Berlin ein stickiger Ofen aus Asphalt,
Schweiß und Alkohol, der ideale Nährboden für all die Kleinkriminellen, die ihr
verwahrlostes Leben in der Hauptstadt fristeten, 16,7 Prozent
Hartz-IV-Empfänger, 24,3 Prozent Ausländer, 33 Prozent Alleinerziehende ...
Hagen drehte sich um. Jemand hustete.
Leonhard lächelte schuldbewusst, als wolle er sich für die Störung entschuldigen.
Hagen fixierte den Kollegen. Wie immer wich Leonhard seinem Blick aus, als könnte
er die Härte darin nicht ertragen.
„Gib's schon was Neues aus Leipzig?“, fragte Hagen.
Leonhard schüttelte den Kopf.
„Bleiben sie über Nacht dort?“
Wieder schüttelte Leonhard den Kopf. „Sie wollen den 18 Uhr ICE nehmen.“
Hagen öffnete ein Fenster. Keiner sprach.
Leonhard begann, die Fotos vom Tatort an der Wandtafel zu befestigen, zuerst
die Weitwinkelaufnahmen, dann die Großaufnahmen und zuletzt die Details.
„Fast schön.“ Hagen betrachtete den morgendlichen Park, in dem nichts auf ein
Verbrechen hindeutete. Der kleine dunkle Fleck am unteren Bildrand fiel kaum
auf. Erst im nächsten Bild zeichneten sich die Konturen der Leiche ab. Dann das
bleiche Gesicht. Daneben die blutverschmierten Haare. Am Ende blieb nichts als
ein dunkles Loch, ein Riss, surreal vergrößert.
„Hängst du das nach Vorschrift auf?“
Leonhard nickte. Doch dann verzog sich sein Gesicht. Wortlos reichte er Hagen
das nächste Foto. Es zeigte Helga Kramer, nackt. Es musste im rechtsmedizinischen
Institut aufgenommen worden sein.
„Was soll das denn?“ Leonhard konnte es nicht fassen. „Das hänge ich nicht
auf.“
„Was stellst du dich an?“ Hagen rempelte Leonhard kumpelhaft an. „Die Alte war
doch gar nicht schlecht.“
Leonhard versuchte, Hagens Grinsen zu beantworten, doch es gelang ihm nicht.
„Die Informatik hat angerufen“, sagte er stattdessen. „Die haben was im
Computer des Mordopfers gefunden. Kommst du mit?“
„Klar.“
Hagen folgte Leonhard den Gang hinunter. Die Räume neben Kranichs Büro waren
kurzfristig für die Sonderkommission

Weitere Kostenlose Bücher