Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
Vom Netzwerk:
„Angenommen, es waren nicht die Männer aus dem Park, dann ging es
unserem Täter weder um die sexuelle Befriedigung noch um das Geld, sondern
allein um diese drei bis vier Stunden, die er mit seinem Opfer verbringen
konnte. Aber ich komm nicht drauf. Was würde ihm das bringen? Hat er Lust
daran, jemanden zu beschimpfen? Mit lauter Musik zu beschallen? Zeigt er
irgendwelche Ekelbilder? Ist er ein Exhibitionist?“
Hagen schüttelte den Kopf. „Wenn man das Gift im Körper hat, ist man dann
überhaupt noch bei vollem Bewusstsein? Wäre Helga Kramer überhaupt in der Lage
gewesen, einen Fluchtversuch zu starten?“
„Am Anfang, sicher. Wie schnell man abbaut, hängt von der körperlichen Verfassung
des Opfers ab, aber auch, in welchen Körperteil das Gift injiziert wird.“
Johannes hatte sich wieder neben Kranich gesetzt. Dankbar nahm er den Kaffee,
den Leonhard ihm hingestellt hat. „Die ersten ein bis zwei Stunden sind
wahrscheinlich nicht sonderlich angenehm, man wird schwitzen, müde werden und
so, aber die Kraft sollte ausreichen, um sich normal zu bewegen.“ Er kniff die
Augen zusammen. „Bei Helga Kramer gab es aber keine Anzeichen, dass sie
gefesselt oder eingesperrt gewesen wäre, das heißt, sie muss kooperiert haben.“
„Der Täter muss sie also irgendwie unter Kontrolle gehalten haben“, überlegte
Clara, doch egal, wo sie ansetzte, sie kam in ihren Überlegungen nicht weiter.
Das Ganze fiel ihr immer wieder zusammen.
    „Ich habe eine Theorie, die ich für tragfähig halte.“ Hagen
erhob sich, ging nach vorne und deutete auf das Gesicht mit dem Rasurstreifen.
„Raul Malik ist unser Mann.“
„Aber ...“
„Angenommen.“ Er hob die rechte Hand und bedeutete Clara, ihm erst einmal
zuzuhören. „Angenommen, Helga Kramer wollte noch ein paar Blumen besorgen, als
Geschenk für ihre Tochter. Angenommen, sie kannte einen ganz besonderen
Blumenhändler in der Gegend vom Stadtpark Steglitz. Gestern war ein lauer
Sommerabend, da nimmt man gerne einen kleinen Umweg in Kauf, um ganz besonders
schöne Blumen zu besorgen, sagen wir, Pfingstrosen.“
Pfingstrosen? Im Juli? Während ihre Tochter mit dem Baby und dem Essen
wartet? Clara hielt ihre Arme vor der Brust verschränkt.
„Helga Kramer geht also durch den Park oder – das halte ich für noch wahrscheinlicher
– sie geht eine Straße in der Nähe des Parks entlang.“ Hagen setzte sich auf
das Fenstersims. „Dort fällt die kultivierte Frau ihrem späteren Mörder sofort
auf. Er spricht sie an. Es kommt zu einem Handgemenge, er stößt ihr die Spritze
in den Hals.“
Clara und Leonhard sahen sich an.
„Raul Malik ist eine tickende Zeitbombe“, begann Hagen wieder. Er bewegte seine
Hände in der Luft, als spiele er mit Handpuppen. Im Unterschied zu seiner
sonstigen Gestalt waren seien Hände erstaunlich feingliedrig, geradezu feminin.
Der Ring leuchtete im Sonnenlicht.
„Ich habe die Akte vom Jugendamt eingesehen“, sagte Hagen.
Jetzt hatte er Claras volle Aufmerksamkeit.
„Von dem Mann geht eine erhebliche Gefahr aus. Falls das sein Werk war“, er
deutete auf das Foto der Toten, „dann ist es noch nicht zu Ende.“
Er sah in fragende Gesichter.
„Meine Theorie besagt, dass Raul Malik bei der Durchführung seiner Tat gestört
wurde.“ Er räusperte sich und blickte aus dem Fenster. „Eigentlich wollte er
die Frau vergewaltigen. Er wollte sie zu Tode quälen, doch irgendetwas hat ihn
daran gehindert.“
Im Raum brach Gemurmel aus.
„Vielleicht seine Kumpels. Sie tauchen auf. Malik muss von seinem Plan abweichen.
Er erzählt seinen Junkie-Freunden, dass er das geklaute Drogenzeug an der Frau
ausprobieren wollte. Also helfen sie ihm und bewachen die Frau. Helga Kramer
stand vielleicht einfach unter Schock, deshalb hat sie sich nicht gewehrt.
Vielleicht nahm sie auch an, dass sie gegen eine ganze Gruppe ohnehin keine
Chance haben würde.“
Und wo haben sie Helga Kramer „bewacht“? Im Park? In einem Keller? Über vier
Stunden ohne Fesseln und ohne, dass sie sich gewehrt hätte? Das passte
alles nicht zusammen.
„Malik hat Blut geleckt. Er ist geil. Wenn wir ihn nicht schnappen, wird das
nächste Opfer nicht lange auf sich warten lassen.“
„Er wird überwacht“, sagte Sven ruhig. Er wusste, dass Hagen gern mal übertrieb.
„Raul Malik hat einen glühenden Lötkolben in einen Hund eingeführt, anal“,
wurde Hagen deutlicher. Die Skepsis in den Gesichtern seiner Kollegen verwandelte
sich in Abscheu.
„Er hat ein Schaf penetriert

Weitere Kostenlose Bücher