Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
Vom Netzwerk:
auch sonst bei AV-Block oder Herzflimmern eingesetzt werden,
Betablocker wie Sotalol oder Amiodaron, dann hat man gute Überlebenschancen.“
„Den Todeszeitpunkt konnte ich weiter eingrenzen“, fuhr Teufel fort. Clara
blickte ihn unentwegt an. „Zwischen 23 und 1 Uhr hat ihr Herz aufgehört zu
schlagen.“ Er senkte die Augen. „Weiter war das an der Kopfwunde ausgetretene
Blut bereits toxisch, das heißt, die Kopfverletzung wurde nach der Injektion
zugefügt, aber vermutlich noch vor ihrem Tod.“
Teufel räusperte sich. „Bis auf Blutergüsse an den Unterarmen war ihr Körper
unversehrt, keine Hinweise auf ein Sexualdelikt.“
Teufel sah in angespannte Gesichter.
„Stonus-Toxin.“ Kranich mahlte mit den Kiefern. „Wie käme jemand wie Raul Malik
an so ein Gift überhaupt ran?“
Kranich hatte die Frage an alle gerichtet, doch Teufel war in Fahrt: „Leute,
die mit Drogen handeln, haben Kontakte in die Drogenszene. Sie könnten aber
auch eine Klinik überfallen haben, eine Praxis oder Apotheke. Ich glaube nicht,
dass sie das Zeug selbst gewonnen haben, daher würde ich einen Überfall auf
eine Fischhandlung eher ausschließen.“
„Okay“, sagte Kranich. „Danke, Johannes.“
Dann hob sie ein Exemplar der Berichte nach oben, die Leonhard kopiert und
verteilt hatte.
„Ich fasse also noch mal zusammen. Der Zeuge Norbert Lechmeier hat Helga Kramer
zuletzt gesehen, das war um 18 Uhr, nachdem er sie am Hauptbahnhof in Leipzig
abgesetzt hat. Die Kameras in Leipzig liefern kein brauchbares Ergebnis, aber
beim Bahnhof Südkreuz hatten wir Glück. Um 19 Uhr 14 hat Helga Kramer die
Eingangshalle durchquert und den Ausgang in Richtung Hildegard-Knef-Platz
genommen. Ihre Handtasche ist deutlich zu erkennen, die Bilder bestätigen also
die Zeugenaussagen, nachdem es sich um eine dunkle Ledertasche mit goldenen
Griffen handelt. Außerdem wissen wir jetzt, dass Helga Kramer zu diesem
Zeitpunkt noch alleine war. Niemand hat sie begleitet oder ist ihr unmittelbar
gefolgt.“
„Es wäre natürlich möglich“, fuhr sie konzentriert fort, „dass unser Mann kurz
vor ihr oder irgendwann nach ihr die Halle durchquert hat, dass er sie also
bereits beobachtete, auch wenn er sie noch nicht angesprochen hat. Deshalb
haben wir das Video auf verdächtige Personen analysiert.“
Kranich blickte zu Leonhard, der das übernommen hatte.
„Bisher leider ohne Ergebnis“, sagte Leonhard zerknirscht. „Ich habe fast
zweihundert Gesichter überprüft, aber es gab keine Übereinstimmungen mit
unseren Dateien.“
Kranich nickte. Die Chance, dass es sich um einen Vorbestraften handelte, war
klein, aber real. Viele Mörder hatten eine Karriere der Gewalt hinter sich und
waren irgendwann schon einmal straffällig geworden, sei es bei einem Diebstahl
oder einer Schlägerei.
„Helga Kramer wollte also zu Fuß zu ihrer Tochter nach Friedenau“, übernahm
Clara das Wort. „Das ist eine Strecke von etwa fünfundzwanzig Minuten. Dort kam
sie nicht an. Um 20 Uhr 5 hat sie versucht, ihre Tochter anzurufen. Sie hat es
nur zweimal klingeln lassen, was dafür spricht, dass sie zu diesem Zeitpunkt
bereits in der Gewalt des Täters war und versucht hat, heimlich anzurufen.
Charlotte Kramer war allerdings mit dem Baby beschäftigt, und als sie eine
halbe Stunde später ihre Mutter zurückrief, war das Handy bereits
ausgeschaltet.“
Alle blätterten in dem Bericht. Das Rascheln hielt an.
Clara verschränkte die Arme vor der Brust. Sie hatte bei Margot übernachtet und
trug eines ihrer ärmellosen Shirts. Margots Körbchengröße lag zwei Nummern
unter ihrer eigenen und das sah man.
„Was mich irritiert, ist das Zeitfenster“, sagte Clara. „Spätestens wenn mir
jemand eine Spritze in den Hals jagt, weiß ich doch, dass höchste Gefahr droht.
Dann wehre ich mich oder versuche, abzuhauen. Es leuchtet mir absolut nicht
ein, warum der Mörder ein Gift wählt, das drei bis vier Stunden dauert, bevor
der Herzstillstand eintritt. Warum geht er das Risiko ein? Wenn er sein Opfer
hätte quälen wollen, dann würde das noch Sinn machen. Aber so? Helga Kramer war
körperlich ja unversehrt.“
Bis auf die Augen. Wieder sah Clara die zerbrochenen Augen vor sich.
„Vielleicht hat er sie nicht körperlich gequält, sondern psychisch.“ Sven sagte
das leise, doch alle hatten es gehört.
„Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht.“ Clara rutschte auf dem Stuhl
nach vorne. Wenigstens trug sie ihre eigene Jeans, die sie bei Margot deponiert
hatte.

Weitere Kostenlose Bücher