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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
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der Berliner Zollmauer und bis ins 19.
Jahrhundert eines der wenigen, durch das Juden die Stadt betreten durften.
Clara bog links in die Rosenthaler Straße ein. Das Eckhaus musste es sein.
„Oberholz“ stand in geschwungener Schrift über dem Eingang. Clara und Kranich
traten ein. Die Leute saßen an länglichen, weißen Tischen hinter aufgeklappten
Laptops, das Apple-Logo leuchtete überall. Die meisten hatten Kopfhörer auf.
Eine Frau trank ihren Latte macchiato mit einem Strohhalm. Jemand aß ein Müsli.
„Das Leben ist kein Ponyhof“, stand neben der Tür.
Kranich ging auf die Frau im schwarzen T-Shirt zu, die hinter dem Tresen stand.
Die gläserne Vitrine war gefüllt mit Kuchen, belegten Brötchen und Toast.
Kranich reichte ihr wortlos den Ausweis.
„Der Chef ist gerade nicht da.“ Die Bedienung schnitt ein Stück Käsekuchen ab
und lächelte geheimnisvoll. „Ich gebe ihm aber gleich Bescheid. Zehn Minuten,
vielleicht. Nehmt doch solange Platz.“
„Danke.“ Die dunklen Augenringe gaben der Bedienung das gewisse Etwas. Clara
fragte sich, ob sie extra geschminkt waren.
„Wir sehen uns solange ein bisschen um“, sagte Kranich.
„Gern.“ Sie legte das Stück Käsekuchen auf einen weißen Teller und schob ihn
über den Tresen. „Guten Appetit“, sagte sie. Offenbar konnte die Frau so leicht
nichts aus der Ruhe bringen.
Kranich und Clara gingen die Holztreppe nach oben. Clara erinnerte sich jetzt,
dass sie schon einmal hier war. Damals war es noch Burger King mit den roten
Ledersitzen. Jetzt standen im Obergeschoss Holztische im Stil von Klassenzimmern.
Auch hier saßen die Leute alle hinter ihren Laptops. Niemand blickte auf, als
Kranich und Clara durch die Reihen streiften.
„Kann ich etwas für Sie tun?“ Clara hatte nicht gesehen, woher der Mann gekommen
war, der sie interessiert musterte. Seine Haut und die Haare waren so hell,
dass unklar war, ob sie sehr blond oder längst grau waren. Doch seine Augen
waren dunkel.
„Sind Sie der Besitzer?“ Kranich zog ihren Dienstausweis. „Ich bin Kriminalhauptkommissarin
Margot Kranich. Das ist meine Kollegin Doktor Schwarzenbach. Wir hätten ein
paar Fragen.“
„Kommen Sie doch mit.“
Der Mann führte sie in den zweiten Stock. In den frisch renovierten Altbauräumen
standen weiße Schreibtische, auch hier saßen Leute hinter ihren Laptops, aber
deutlich weniger als unten im Café. Man konnte sich hier sein Büro mieten.
„Also, was verschafft mir die Ehre?“
Der Mann hatte sie in einem Raum geführt, der momentan nicht besetzt war.
„Wir ermitteln in einem Mordfall“, sagte Clara.
Das Gesicht des Besitzers hellte sich auf. „Und ich dachte schon, sie kommen
von der Zentrale für Urheberrechtsverletzung.“
Er startete eine kleine Kaffeemaschine. „Wollen Sie auch einen?“ Er schien
jetzt interessiert.
Kranich nickte. Sie nahm auf einem der Holzdrehstühle Platz. Clara blieb am
Fenster stehen und blickte auf den Rosenthaler Platz hinab. Sie legte ihre Hand
auf den Bauch. Sie fühlte nichts.
Der Mann stellte drei Espresso-Tassen auf den Tisch und setzte sich Kranich
gegenüber.
„Am 6. Juli um 8 Uhr 16 hat jemand eine E-Mail von ihrem Café aus verschickt.“
Kranich tat sich Zucker in den Espresso. „Und gestern hat er es wieder getan.
Um 8 Uhr 13 verließ die Mail ihr Café.“ Der Löffel stieß an das weiße
Porzellan, als sie umrührte.
„Und Sie möchten jetzt wissen, wer das war?“ Der Mann blickte zu Clara.
„Nein“, sagte Clara. „Wir möchten wissen, was er getrunken hat.“
Der Mann brauchte einen Moment, bis ein amüsiertes Grinsen auf seinem Gesicht
erschien. „Sehen Sie, bis vor kurzem hatte ich selbst einen Router aufgestellt,
über den meine Gäste unbeschränkt im Netz surfen konnten. Vor drei Wochen habe
ich die Aufgabe an einen Provider abgegeben.“
Sein Gesicht wurde härter. „Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Abmahnungen
von irgendwelchen Kanzleien ich täglich bekomme. Ich weiß aber nicht, wer hier
illegal Musik herunterlädt, geschützte Filme kopiert oder Pornos guckt. Woher
soll ich das wissen?“
„Haben sie Kameras installiert?“, fragte Kranich.
„Um Gottes willen!“
„Das heißt, sie wissen also auch nicht, wer hier E-Mails verschickt?“
„Exakt.“
„Gibt es wirklich keine Möglichkeit, das irgendwie nachzuvollziehen?“ Clara
löste sich vom Fenster und kam zu den beiden. Sie hatte sich heute Morgen für
das dunkelblaue Asia-Kleid entschieden und bereute das jetzt. Sie brauchte

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