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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
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Gegenstand nicht richtig sehen,
den er aus der Hosentasche zog, doch sie wusste, was es war.
„Noch einen Schritt und ich schieße.“ Die Hauptkommissarin streckte die Waffe
nach vorne und fragte sich, warum er nicht anhielt. Er kannte sie doch, er
wusste, dass sie es ernst meinte. Es lagen keine zwei Meter mehr zwischen
ihnen. Er musste doch wissen, dass sie ihn nicht verfehlen würde.
„Ich habe keine Angst vor dir.“ Er lachte.
Sie zielte auf seine rechte Schulter.
„Ich habe vor niemandem mehr Angst.“
Kranich drückte ab.
    Sie drückte noch einmal. Klack. Klack. Klack.
Das war unmöglich. Die Waffe war nicht geladen. Sie drückte noch einmal. Klack
klack klack. Als sie die Waffe vor zwei Stunden kontrolliert hatte, kurz
nachdem sie aus dem Präsidium kam, war sie voll gewesen.
Sie hielt ihre Hände wie ein Schild nach oben und versuchte, gleichzeitig ihren
Hals und die Arme zu schützen. Dann spürt sie einen Stich im Oberschenkel.
Panisch schlug sie um sich, doch der Schmerz zog ihren Körper zusammen.
„Ganz ruhig, Margot.“ Er hielt sie fest und drückte ihr etwas ins Gesicht. Sie
versuchte, nicht zu atmen, doch der süße Geruch drang tiefer und tiefer in sie
ein.
„Sei ganz ruhig. Ich bin auserwählt“, hörte sie die Stimme noch.
„Wozu ...“ Sie riss die Augen auf. Dann sackte sie in sich zusammen.
    Ihre Hände waren taub. Sie lag auf etwas Rauem, war es Holz,
ein Sack? Sie versuchte, die Augen zu öffnen, doch es gelang ihr nicht. Sie
steckte fest in etwas Dunklem, Süßlichem. Sie bewegte ihre Hände. Wenigstens
konnte sie atmen, ihr Mund und ihre Nase waren frei. Ihre Hände begannen zu
kribbeln. Sie lag auf dem Bauch, ihre Hände waren auf ihrem Rücken gefesselt.
Wieder versuchte sie, die Augen zu öffnen. Sie sah etwas Helles. Licht. Dann
verlor sie wieder das Bewusstsein.
    Sie versuchte, das Dunkle abzuschütteln. Sie hatte das
Gefühl, mit einer dicken Daunendecke zu kämpfen, sie hatte das Gefühl, es
gleich geschafft zu haben. Sie bewegte ihre Hände. Sie fühlte ihre Finger
wieder. Sie öffnete ihre Augen. Langsam nahm der Raum vor ihr Gestalt an. Es
war ihr eigenes Wohnzimmer. Sie lag flach auf dem Bauch auf ihrem eigenen Sofa
und versuchte, sich aufzurichten.
Ihr Gegenüber lächelte freundlich.
„Schön, dass du wach bist.“
Kranich wollte ihn warnen, dass er immer noch hier sei, doch ihre Zunge gehorchte
ihr nicht.
„Wir haben nicht allzu viel Zeit.“ Er blickte auf die Uhr.
Das war nicht seine Stimme.
„Es tut mir wirklich leid, Margot, aber auf die Vernehmung kann ich auch bei
dir nicht verzichten.“
Er lächelte. O mein Gott. Er war es. Er hatte ihr die Spritze verabreicht. Das
Gift musste sich bereits in ihrem Körper ausbreiten. Wie lange war sie ohnmächtig
gewesen?
„Geht es mit dem Sprechen wieder?“, fragte er besorgt.
Auf dem Tisch stand eine Videokamera.
„Ja“, wollte sie antworten, sie musste den Kontakt zu ihm herstellen, doch es
kam nur ein kehliges Krächzen aus ihrem Hals.
Er deutete auf das Glas Wasser vor ihr auf dem Tisch.
Kranich rutschte auf dem Bauch das Sofa hinunter, bis ihre Füße den Boden
berührten. Auf den Knien beugte sie sich zum Tisch hinüber und war dankbar, als
er das Glas Wasser an ihre Lippen führte.
Gierig trank sie ein paar Schlucke.
„Warum?“ stieß sie keuchend hervor.
Er sah sie an. Für einen Moment war alles wie immer. Vielleicht war es noch
nicht zu spät. Wenn es ihr gelang, die alte Ordnung herzustellen, hatte sie
eine Chance.
„Ich würde dir ja gerne die Fesseln abnehmen, aber ...“
Er stand auf und half ihr, sich auf das Sofa zu setzen.
„Ich kann dir nicht trauen, Margot.“ Er lächelte sie an.
Ein heißer, stechender Schmerz jagte durch ihren Körper und Kranich erkannte,
mit wem sie es die ganze Zeit über zu tun gehabt hatte. Mit einem Wahnsinnigen.
Mit ihrem Mörder.

39
    Clara nahm einen Schluck. Es war schon ihr zweiter Kaffee
heute Morgen. Sie hatte gelesen, dass Säuglinge eher zu Schlafstörungen und
Stimmungsschwankungen neigten, wenn ihre Mütter die Tagesdosis von 300
Milligramm Koffein pro Tag während der Schwangerschaft überschritten hatten.
Bis zu 300 Milligramm Koffein pro Tag seien aber unbedenklich, hatte die
Hebamme aus dem Netz erklärt. Clara betrachtete die Tasse. Sie hatte extra viel
Milch eingefüllt, nur ein Drittel davon war Espresso. Wie viel Milligramm
Koffein hatte ein normaler Espresso?
Meinst du, du bekommst Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen? Für einen

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