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Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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Begegnung zu einer Party in der kommenden Woche ein. Max sah ich täglich mindestens dreimal, wenn er mit dem Taxi zur Zentrale kam. Er besuchte mich sogar am Freitag abend, als ich gerade dabei war, die Wohnung von den Hinterlassenschaften der Expertentruppe zu befreien. Während ich die Abdeckfolie im Bad entfernte, erläuterte er mir als langjähriger Sauerlandkenner die eine oder andere Beziehung im städtischen Verwandtschafts- und Bekanntschaftsgeflecht. So war die genervte Bibliothekarin, die mir bei meiner Lyrikrecherche in der Stadtbücherei aufgefallen war, eine Nichte der Dreisams. Außerdem erfuhr ich, daß der Mann von Laura, die im Café als Bedienung arbeitete, innerhalb von zwei Monaten an Krebs gestorben war, so daß sie ihr Kind jetzt allein großzog, aber mittlerweile ganz gut über die Runden kam. Ich fragte Max auch nach den Kollegen vom Elisabeth-Gymnasium. Von denen kannte er allerdings nur wenige. Er nannte einige Namen, die ich bisher noch nicht gehört hatte. Als der Name Bruno Langensiep fiel, spitzte ich die Ohren.
    »Hast du etwas über seinen Unfall gehört?« fragte ich ihn neugierig, während ich einen Streifen Abklebeband vom Badewannenrand zog.
    »Allerdings«, entgegnete Max zu meiner Überraschung, »schließlich fahre ich den Chef der hiesigen Polizeistation, den Bockmann, jeden Freitag vom Kegeln nach Hause. Und damals, als die Sache gerade passiert war, hat er mich ein- oder zweimal damit vollgelabert. Es gab da so ein paar Unklarheiten, z.B. warum der Langensiep sich überhaupt an den Rand des Steinbruchs gewagt hat. Kein normaler Mensch klettert doch so nahe am Rande eines Steinbruchs herum, wenn er Gefahr läuft hineinzufallen. Wenn er sich einen getrunken hätte, hätte man das Ganze ja noch verstehen können. Aber laut Bockmann war keinerlei Alkohol oder anderes Zeugs im Blut nachzuweisen. Auffällig war auch, daß der Langensiep mit steter Regelmäßigkeit sonntags immer so gegen zehn Uhr in den Wald stiefelte. An seinem Todestag jedoch war er schon um acht unterwegs. Jedenfalls sagte das seine Frau, die erst erwachte, als er schon weg war. Kannst du mir mal sagen, warum überhaupt jemand in dieser Herrgottsfrühe im Wald rumrennt?« Max stellte einen Besen zur Seite und setzte sich für eine Zigarettenpause auf den Badewannenrand.
    »Irgendwie erschien dem Bockmann das alles etwas spanisch. Andererseits gab es keinen direkten Hinweis auf Mord oder Selbstmord. Es war knochentrocken und eiskalt, so daß noch nicht einmal die Fußspuren von dem Lehrer selbst nachzuweisen waren. Mord war es wohl wirklich nicht. Denn, so wie Bockmann sagte, hat man niemanden, aber auch wirklich niemanden mit einem Motiv gefunden. Ich glaube, Bockmann war unzufrieden mit der Arbeit der Kripo und wollte den Fall nutzen, um seinerseits Karriere zu machen. Aber er hat sich daran heftigst die Zähne ausgebissen. Am Ende hat er sogar Ärger gekriegt, weil er sich in die Angelegenheiten der Kripo gemischt hat. Daraufhin hat er dann lieber die Finger davon gelassen. Also, wenn du mich fragst, hat dieser Langensiep Selbstmord begangen, aber keinen Abschiedsbrief hinterlassen.«
    Ich war mit den Gedanken bei einem anderen Punkt. »Es wundert mich, daß bei niemandem ein Motiv zu finden war. Wie man mir versicherte, war Bruno Langensiep ein echter Ekelpickel.«
    »Na und?« fragte Max und zog genüßlich an seiner Zigarette, »ist das etwa ein Grund, jemanden abzumurksen?« Er sah mich aufmerksam an. »Sag mal, warum interessierst du dich überhaupt für diesen Fall? Du hast den Typen doch gar nicht mehr kennengelernt.« Ich erklärte, daß Langensiep mein Vorgänger am Elli gewesen war. Damit war das Thema beendet.
    »Was ist eigentlich mit dir?« fragte ich Max aus einer unerklärlichen Neugier heraus. »Bist du eigentlich schon als Taxifahrer auf die Welt gekommen?«
    Max sah mich durch seinen Zigarettenqualm nachdenklich an. Er zögerte einen Augenblick. »Da war mal was anderes«, murmelte er, »erzähl ich dir vielleicht später.«
    Kurz danach ging Max, und ich wußte, daß ich etwas angerührt hatte, was sehr weh tat.
    Ich sah Max vom Fenster aus nach, wie er seinen Dienst begann. Dann ließ ich meinen Blick über die Silhouetten der Stadt schweifen. In einiger Entfernung war deutlich der Kirchturm zu sehen, der den Mittelpunkt der Stadt bildete. Mein Blick glitt über die Häuser hinweg in Richtung Stadtforst, und zu meiner Überraschung konnte ich das Elisabeth-Gymnasium erkennen. Das Türmchen

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