Ausflug ins Gruene
erste Eindruck war nicht gerade einladend. Überall hing die Tapete in Fetzen herunter, und der Teppichboden war in allen Räumen so fleckig, daß man an ein Muster glauben konnte. Die Fenster waren geradezu blind vor Schmutz.
»Ich glaube, es ist gar nicht so schlimm, wie es aussieht«, ermunterte mich Max, »tapezieren muß man ja sowieso meistens. Na ja, ein neuer Teppich muß auch rein, aber guck mal hier – ein super Blick auf die Borke.« Max hatte an einem Fenster ein Guckloch freigewischt und tatsächlich – man hatte eine fabelhafte Aussicht auf den Fluß, der von wunderschönen alten Trauerweiden eingefaßt war. Ein Fußweg führte unmittelbar am Fluß vorbei. Ich schaute mich wieder in der Wohnung um und versuchte mir vorzustellen, wie ich sie einteilen würde. Zwei Zimmer, eins riesig und eins mittelgroß, eine kleine Küche und ein Bad.
»Irgendwas fehlt hier«, bemerkte ich.
»Richtig, die Toilette«, antwortete Max. Er führte mich wieder aus der Wohnung heraus, ein halbes Stockwerk nach unten. »Die ist hier«, er öffnete die Tür, »etwas abseits, aber immerhin ganz für dich alleine.«
Wir gingen wieder nach oben, und ich schaute mir alles nochmal in Ruhe an. Die Fenster waren doppelverglast, so daß man nicht jedes Taxi schon am Motorgeräusch erkennen würde. Leitungen und Armaturen wirkten in Ordnung.
»Was will dein Chef denn dafür haben?« fragte ich beiläufig.
»400 plus Nebenkosten«, antwortete Max. Ich schaute ungläubig. Ich hatte mit dem Doppelten gerechnet.
»Aber du mußt selber renovieren.«
»Kein Problem!« antwortete ich, »ich nehme die Wohnung.«
Als wir zurück ins Büro kamen, hatte ich das Vergnügen mit Max’ Chef. Wir setzten uns auf eine ausgediente Couch und füllten einen Mietvertrag aus. Bern hatte ihn sich wohl kurz vorher in einem Schreibwarenladen besorgt, fand aber bei näherem Hinsehen das meiste darin überflüssig. Nach einer Viertelstunde hatten wir alles Nötige geregelt und den Mietbeginn auf sofort festgelegt. Bern händigte mir die Schlüssel aus und vergaß nicht, mir seine Kontonummer zum Überweisen der Miete aufzuschreiben. Ich bedankte mich bei Max für seine Hilfe und verabredete mich mit ihm für einen der nächsten Tage im Quatsch.
Als ich rausging, ließ ich es mir nicht nehmen, mich von Tina zu verabschieden, die immer noch in ihr Kreuzworträtsel vertieft war.
»Tschüß«, murmelte sie halblaut, blickte aber nicht nach oben. Als ich schon fast aus der Tür war, kam der Nachsatz.
»Nicht Klavier, sondern Violine.« Tina hatte noch immer nicht den Blick von ihrer Illustrierten gewandt, während sie das sagte, aber ich meinte doch einen Hauch von Grinsen auf ihrem Gesicht entdeckt zu haben.
13
Die folgenden Tage waren für das Renovieren meiner neuen Wohnung eingeplant. Alle Räume mußten neu tapeziert und gestrichen werden. Der alte Teppichboden mußte raus, und der Untergrund darunter wirkte nicht gerade eben. Mir wurde schnell klar, daß ich all das bis zum Schulbeginn allein nicht schaffen konnte, vor allem da mir meine altbewährten Freunde fehlten. Max als Alteingesessener gab mir deshalb den hundertprozentigen Tip. Er ging mit mir am nächsten Tag zum ortsansässigen Teppichmarkt, und dort erlebte ich meine erste Überraschung. Der Inhaber entpuppte sich als der Lockenkopf, der mir bei meinem ersten Besuch im Bistro den Weg zu den Dreisams beschrieben hatte. Der Teppichmensch namens Erwin Grote schickte mir nach einem kurzen Gespräch mit Max noch am selben Abend eine Truppe von fünf Alleskönnern, die sich meine neue Wohnung anguckten und nach zwei Minuten und vier Zigaretten pro Kopf meinten, sie bräuchten zwei Tage. Mir sollte es recht sein. Ich überließ den Experten das Feld und versuchte lediglich, ihnen möglichst wenig im Wege zu stehen. So langsam bekam ich eine Ahnung von dem, was Laura mir damals über diese Stadt prophezeit hatte.
Ich gewann mehr und mehr den Eindruck, daß mir immer dieselben Menschen unter die Augen traten. Oder besser: Denen, die ich kannte, begegnete ich immer wieder. So traf ich den Teppichbodenverkäufer, den ich im Bistro kennengelernt hatte, nicht nur in seinem Laden wieder, sondern zwei Tage später schon in einem Möbelhaus, wo er mich prompt mit seiner Freundin, einer Heilpraktikerin, bekannt machte. Dieser begegnete ich gleich am nächsten Tag wieder, als sie auf der Straße in ein Gespräch mit Roswitha Breding, meiner neuen Kollegin, vertieft war. Roswitha lud mich bei dieser
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