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Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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herum und konzentrierte mich ansonsten ganz auf die Unterrichtsvorbereitung. Diese Arbeit fiel mir nicht gerade leicht. Schließlich war ich nicht in Übung, aber ich hatte schnell herausgefunden, daß man getrost Hilfe bei den Kollegen am Elli suchen konnte. Besonders Leo, der mit mir das Fach Deutsch gemeinsam hatte, war mir eine große Stütze. Er war es auch, der mich eines Tages zum Joggen einlud, »um den Kopf frei zu kriegen«, wie er sagte. Wir verabredeten uns bei mir und fuhren von dort aus mit Leos Wagen weiter. Wir kurvten eine ganze Weile herum, so daß ich Leo ausführlich von meinem Unterrichtsvorhaben in der siebten Klasse erzählen konnte.
    »Sieh dich mal um«, unterbrach Leo mich nach zehn Minuten. »Nicht schlecht, woll?«
    Wir hatten inzwischen Brechlingsen hinter uns gelassen, einen eingemeindeten Ort, der von seiner Größe her zwischen Dorf und Kleinstadt anzusiedeln war, und der ganz offensichtlich an dem Schicksal einer Durchgangsstraße bitter zu tragen hatte. Jetzt fuhren wir auf einer Straße, die auf einer Seite von hohen Felsen umsäumt war. Zur Rechten plätscherte ein Fluß in einem wild bewachsenen Flußbett. Die Bäume waren mit einem hellen Grün versehen, die ersten Boten des Frühlings.
    »Dies ist das Borketal«, sagte Leo. »Ich geh hier gerne joggen, wenn ich mal ein bißchen aus der Stadt raus will und nicht hinter jeder Wegbiegung einen Schüler treffen möchte.« Ich stellte mir vor, wie ich mit Alexa am Fluß entlang wanderte, und diese Vorstellung machte mich glücklich. »Es ist wunderschön!« murmelte ich.
    »Ja, wenn man einen Fotokalender vom Sauerland anfertigen wollte, wäre man hier genau richtig. In meinen wilden Zeiten bin ich hier in den Felsen rumgeklettert, obwohl es verboten war. Ein bißchen vielleicht auch, weil es verboten war.«
    Wir schwiegen und genossen. Vor allem, als wir unter einer wunderschönen alten Bruchsteinbrücke hindurchfuhren, die die Eisenbahnstrecke zu unserer Rechten links in einen Tunnel führte. Leo bog dann irgendwann links ab, und die Landschaft öffnete sich. Weite Wiesen und leichte Hügel säumten die Straßen, und wir genossen weiter. Leo fuhr im Bogen dieser Landstraße nach, durch zwei Ortschaften hindurch, bis er irgendwann links in eine Seitenstraße einbog und von dort auf einen schmalen Feldweg stieß. Nach einigen hundert Metern hielt er den Wagen an.
    »Wir könnten auch noch ein paar Stunden rumfahren und gucken«, schlug ich vor.
    »Nichts da. Das kannst du machen, wenn du neunzig bist.«
    Ich seufzte, und wir setzten uns in Bewegung.
    Mein drahtiger Sportkollege legte ein schnelles Tempo an den Tag, und ich hatte Mühe mitzukommen. Wir liefen zunächst an einigen Ackerflächen vorbei und erreichten dann einen luftigen Mischwald.
    »Da unten an der Straße liegt eine wunderschöne, kleine Kirche!« erklärte Leo. Tatsächlich konnte ich die Turmspitze erkennen. Im Hintergrund war Straßenlärm zu hören.
    »Ein Geheimtip, wenn du mal heiraten willst.«
    »Schönen Dank auch.«
    »Ich habe diese Strecke nicht umsonst gewählt«, sagte er, während wir parallel zur Kirche einen Waldpfad entlangjoggten. Ich schaute ihn verdutzt an.
    »Sieh mal da!« Leo zeigte mit einem Finger auf einen Stacheldrahtzaun, auf den wir geradewegs zusteuerten.
    »Dahinten ist Bruno Langensiep abgestürzt.«
    Ich blieb abrupt stehen. »Kannst du mich nicht ein bißchen langsamer darauf vorbereiten?« keuchte ich völlig außer Atem. »Das ist ja richtig unheimlich.«
    »Weißt du«, ignorierte Leo kurzerhand meinen Protest, indem er einfach weiterlief, »seitdem wir uns auf Roswithas Party darüber unterhalten haben, hat mich der Gedanke an einen Mord nicht mehr losgelassen. Laß uns doch mal nachschauen, ob es wirklich so gewesen sein könnte!«
    Wir näherten uns jetzt einem Zaun, den man mit etwas Geschick leicht hätte überqueren können. Dies war jedoch gar nicht nötig, da der Zaun schon nach kurzem eine fast vier Meter große Öffnung aufwies. Wir liefen hindurch und erreichten ein großes Plateau, an dessen anderem Ende sich ein riesiger Steinbruch auftat. Leo und ich sprachen nicht mehr, sondern schritten wortlos auf die Kante zu. Zwei Meter davor blieb ich stehen. Ich kannte meine Höhenangst nur zu gut. Dennoch konnte ich erkennen, wie der Abhang beschaffen war. Während weiter links und rechts der Hang bewachsen war, führte hier der Steinbruch gnadenlos felsig und steil in die Tiefe, nach meiner Schätzung etwa fünfzig Meter

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