Ausflug ins Gruene
hatte ich nur in mich hineingemurmelt, die durchschnittliche männliche Lebenserwartung fest im Blick.
»Die langfristigen Ziele sollten zunächst eine eher nebensächliche Rolle spielen«, holte ich aus. »Ich möchte Sie gerne zum Essen einladen.«
Alexa Schnittler lachte und willigte ein.
Wir landeten schließlich in einem chinesischen Restaurant in der Fußgängerzone, wo es laut handgeschriebener Tafel für fünfzehn Mark »Frei Buffet ohne Stop« geben sollte. Ich aß langsam und tatsächlich »ohne Stop«, um das Essen möglichst in die Länge zu ziehen.
Freimütig erzählte ich von mir und bemerkte nicht zum ersten Mal, wie eng und langweilig mein Lebenslauf war. Ich hatte die heile Welt seit meiner Kindheit nie verlassen müssen, war von bewegenden Schicksalsschlägen verschont geblieben und hatte es sogar beinahe geschafft, den Rest meines Lebens in ein und derselben Stadt zuzubringen. Ein toller Held war ich, der sich anmaßte, über Provinz und Nicht-Provinz zu urteilen.
Alexas Werdegang war etwas bunter. Sie hatte in Gießen Tiermedizin studiert und während des Studiums ein Praktikum bei einem Landtierarzt in Schottland verbracht. Dort hatte sie sich in einen schottischen Schafhirten verliebt und ihm geschworen, für immer bei ihm zu bleiben. Als der Winter begann, waren nicht nur die Füße, sondern auch die Leidenschaft abgekühlt. Alexa hatte dann ihr Studium schnell beendet und war nach etlichen vergeblichen Bewerbungsschreiben im Sauerland gelandet, dort wo sie auch geboren war, nur zwanzig Kilometer vom Haus ihrer Eltern entfernt.
»Im Studium hätte ich mir nie träumen lassen, daß es mich nochmal hierhin verschlägt. Mittlerweile bin ich hier sehr zufrieden, und daß meine Familie so nah ist, ist manchmal sehr aufbauend. Der Job schlaucht einfach zu sehr.«
»Früher wollte ich auch mal Tierarzt werden«, warf ich ein, »ich muß ungefähr zehn gewesen sein und ich glaube, das war, als die Serie mit dem Doktor und dem lieben Vieh lief.«
Alexa winkte ab. »Das erzählt mir jeder. Ich muß ja zugeben, ich war damals auch ganz begeistert von der Vorstellung, von Hof zu Hof zu fahren und dieser Kuh zu helfen und mit jenem schrulligen Bauern ein Schwätzchen zu halten. Aber als ich dann die Realität kennengelernt habe, ist mir nicht nur einmal die Frage in den Sinn gekommen, ob ich vielleicht den falschen Beruf gewählt habe. Mittlerweile überlege ich schon, mich in der Wirtschaft oder Forschung zu bewerben. Aber dort sind die Aussichten auch nicht gerade rosig.«
Ich erkundigte mich, mit welchen Tieren eine Tierärztin in dieser Region zu tun hatte.
»Mit allen«, erwiderte Alexa zu meinem Erstaunen, »eine Trennung zwischen Kleintieren und Großvieh haben wir nicht. Ich behandele alles, was in Häusern und Ställen so rumläuft und rumkriecht. Daher kenne ich übrigens auch Dr. von Feldhausen. Er wohnt auf dem alten Gutshof seiner Eltern und betreibt dort einen Reitstall. Oder besser: er hat betrieben, denn mittlerweile hat er den gesamten Stall verkauft.«
Ich schmunzelte: »Und warum?«
»Es wurde ihm angeblich zuviel Arbeit. Aber eigentlich hat es mich schon stark gewundert, denn er hängt mit seiner ganzen Seele daran.«
»Brauchte er Geld?« Mir fielen als erstes immer die ganz praktischen Aspekte ein. Wenn ich etwas verkaufe, brauche ich Geld.
»Um Gottes willen! Ignaz von Feldhausen hat ein Riesenvermögen geerbt. Schauen Sie sich mal den Gutshof an, auf dem er residiert. Der sieht nicht gerade nach Geldmangel aus.«
»Warum arbeitet er dann überhaupt als Lehrer? Sollte ich mal einen schicken Gutshof erben, werde ich noch am selben Tag kündigen und den lieben langen Tag meine Kontoauszüge betrachten.«
»Das sagt man so. Allein auf so einem Gut ist es doch mehr als öde. Ich glaube, von Feldhausen liebt die Sprachen, die er studiert hat. Er wollte auch ursprünglich an der Uni arbeiten, an der er promoviert wurde, aber die Verantwortung für das elterliche Anwesen hat ihn dann doch zurück in die Heimat getrieben. Und dort blieb nur die Schule, um nicht ganz einzurosten.«
»Ein interessanter Bursche«, bemerkte ich, »Intellekt, viel Geld, Pferde, einen netten Titel – eine wirklich gute Partie.«
»Allerdings!« setzte Alexa hinzu und grinste, »und mehr noch: er hat sogar ein gutes Benehmen. Er ist bei jedem Impftermin pünktlich im Stall.«
So gerügt, beschäftigte ich mich lieber mit meinem Fleischspieß, als mich weiter in dieses Thema zu vertiefen. Es war
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