Ausflug ins Gruene
durch einen Lautsprecher gehört.
»Als ich von deiner Entscheidung hörte, diese Lehrerstelle anzunehmen, war das für mich nur ein schmerzhafter Auslöser, um mit dir über Trennung zu sprechen.« Warum? Warum so plötzlich? Ich wollte es wissen, aber ein Kloß steckte in meinem Hals, und ich kriegte kein Wort raus.
»In unserer Beziehung ist ein Stillstand eingetreten. Klar, es ist nett, wenn wir zusammen sind. Aber es fehlt etwas. Mir fehlt etwas, das am Anfang da war.«
Was? Ich wollte es wissen, aber andererseits war mir klar, daß in diesem Stadium jede Diskussion sinnlos war.
»Sag du doch auch mal was!« Angies Stimme klang er stickt.
»Ich -ich kann es einfach nicht fassen. Ich – Warum?«
»Vincent. Du hast es doch auch gemerkt. Es war der Wurm drin. Wir haben uns immer gefreut, wenn der andere mal eine Zeitlang weg war, wenn man etwas allein für sich hatte. Das ist nicht normal. Wir brauchen unsere Freiheit wieder.«
»Aber-« Ich wußte, daß jedes »aber« überflüssig war.
»Wenn du mich fragst, sollten wir eine Zeitlang Abstand voneinander gewinnen.« Oh, wie haßte ich diese Sprüche.
»Dein Umzug gibt uns die richtige Gelegenheit dazu.« Angies Worte klangen gequält, als hätte sie sie auswendig gelernt und müßte sie jetzt nur noch aufsagen. Nur noch dieses eine Mal.
»Ich glaube«, Angie stocherte mit der Gabel herum, dann schaute sie mich an, »ich glaube, wir sind sehr ver schieden.«
»Ja, ich weiß.« Meine Stimme erstarb. Wir aßen nicht weiter, sondern bezahlten stumm. Das Schlimmste kam noch. Ich wußte es. Draußen.
»Ja dann.« Angie litt wie ich. In diesem Moment litt sie genauso wie ich.
»Angie.« Ich streichelte ihre Wange, und sie schmiegte ihren Kopf in meine Hand.
»Mach’s gut.« Die Tränen traten uns in die Augen. »Wir hören voneinander.«
»Angie?« Ich mußte die Frage stellen. »Gibt es da einen anderen Mann?« Sie schaute mich durch ein paar Tränen an.
»Ich weiß es nicht.« Sie strich mir über den Arm und ging. Aber ich, ich wußte es. Ich wußte es ganz genau.
»Vincent. Vincent!« Ich schreckte hoch. »Es tut mir leid, daß ich in alten Wunden rumgerührt habe.« Leo Brussner sah mich halb verlegen, halb mitleidvoll an.
»Schon gut! Ich bin nur etwas abgerutscht. Jetzt schieß los! Was wolltest du mir erzählen? Hast du das Programmheft vom Bochumer Schauspielhaus mitgebracht?«
Ich wollte es haben, um eventuell eine Theaterfahrt für meinen Elferkurs zu organisieren.
»Oh, das habe ich ganz vergessen.« Leo war etwa eine halbe Sekunde lang betreten. »Aber ich habe was wirklich Neues.« Schon war seine Begeisterung wieder da. »Wie du weißt, habe ich mit Roswitha gesprochen. Und dabei habe ich per Zufall einen echten Knaller aufgedeckt. Sie hat mir nämlich erzählt, daß Doc Feldhausen bei seiner Vernehmung über Langensiep nicht die Wahrheit gesagt hat.«
»Mal langsam! Was hat er ausgesagt? Und was weiß Roswitha?«
»Also, Feldhausen ist wie wir alle gefragt worden, wann er Langensiep zum letzten Mal gesehen hat. Der Unfall passierte an einem Sonntag morgen, und zwar genau am siebzehnten Januar. Feldhausen behauptete in meiner Anwesenheit, er habe Langensiep zum letzten Mal am Samstag morgen in der Schule getroffen, wie wir alle. Tatsächlich aber hat Roswitha Langensieps Audi am Samstag abend auf Feldhausens Gutshof gesehen.«
»Und warum hat sie nichts gesagt? Ich meine, zur Polizei?«
»Das habe ich sie auch gefragt. Sie wußte überhaupt nicht, was Feldhausen ausgesagt hatte, und war stillschweigend davon ausgegangen, daß er von seinem Treffen am Samstag abend erzählt hat.«
»Hm, interessant ist das schon. Wie war denn überhaupt das Verhältnis zwischen Feldhausen und Langensiep?«
»Schwer zu sagen. Sie hatten eigentlich gar nichts miteinander zu tun. Feldhausen ist sowieso ein Einzelgänger, und Langensiep lag für ihn ein paar Klassen zu niedrig. Du weißt ja, Feldhausens Lebensart ist ziemlich exquisit.«
»Hast du eine Ahnung, was die beiden trotzdem miteinander zu besprechen hatten?«
»Genaugenommen: nein. Sie hatten unterschiedliche Fächer. Auch sonst waren sie nicht zusammen in einem Ausschuß oder einer Kommission. Feldhausen hält sich aus allem Organisatorischem raus. Er will seinen Unterricht machen und fertig. Auf Kontakt zu Kollegen oder Mitwirkung in irgendwelchen schulischen Gremien legt er keinen Wert.«
»Trotzdem gibt es doch unter Kollegen hin und wieder etwas zu besprechen«, warf ich ein.
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