Ausflug ins Gruene
»Vielleicht ging es um einen Schüler oder so was.«
»Ich bitte dich! Deshalb stattet man doch Samstag abends niemandem einen Besuch ab. Sowas läßt sich in der Schule oder am Telefon regeln.«
»Es muß ja irgendeine Erklärung für das Treffen geben. Aber da fällt mir etwas ein. Es muß ja gar nicht zu einem Treffen gekommen sein. Vielleicht hat Langensiep Feldhausen an besagtem Abend gar nicht angetroffen.«
»Das ist natürlich möglich. Man müßte Roswitha fragen, ob sie auch Feldhausens Wagen im Hof hat stehen sehen. Der ist ja ziemlich auffällig – ein schwarzes Oldtimermodell von Saab.«
»Gehen wir einfach mal davon aus, daß Feldhausen da war«, gab ich zu bedenken. »Warum wollte er dann das Treffen verheimlichen? Dieses Treffen besagt ja nicht, daß er irgendwas mit Langensieps Tod zu tun hat.«
»Eben!« stimmte mir Leo zu. »Außerdem besagt die offizielle Version ja sowieso, daß Langensiep durch einen Unfall ums Leben gekommen ist. Wenn von Mord die Rede gewesen wäre, hätte unser guter Doc vielleicht gelogen, um sich gar nicht erst in Verdacht zu bringen, auch wenn er mit der Sache nichts zu tun hatte. So aber ist nicht einsichtig, warum er die Unwahrheit gesagt hat.«
»Wir können also festhalten: Entweder hat Feldhausen mit dem Mord zu tun. Oder er hat etwas in seiner Beziehung mit Langensiep zu verheimlichen, das wiederum gar nichts mit dem Tod zu tun hat.«
»Da sind wir doch schon mal einen Schritt weiter«, freute sich Leo und rieb sich die Hände.
»Tatsächlich? Und wie stellst du dir die weiteren Ermittlungen vor? Willst du zu Feldhausen gehen und ihn fragen, was Langensiep am Samstag abend bei ihm getrieben hat?«
»Ich lasse mir schon was einfallen«, sagte Leo mit fröhlicher Stimme, »aber jetzt wird erstmal gefrühstückt.«
Ich goß uns beiden Kaffee ein. »Leo, Leo«, sagte ich dabei halb in Gedanken, »du darfst eins nicht vergessen: Du mischst dich in die Angelegenheiten von Kollegen ein. Wenn an der Sache nichts dran ist, möchte ich denen an deiner Stelle nicht mehr jeden Morgen über den Weg laufen.«
»Und du vergißt auch etwas!« Leo schaute mich durchdringend an. »Ich bin mittlerweile sicher, daß Bruno Langensiep umgebracht worden ist, und die Vorstellung, daß einer unserer lieben Kollegen an unserer christlichen Schule der Mörder sein könnte, behagt mir ganz und gar nicht.«
19
Schon am selben Nachmittag besuchte ich Leos christliche Schule erneut. Das Sekretariat hatte mich angerufen, da ich ein paar Angaben zum Arbeitsvertrag machen sollte. Schwester Gertrudis war heute bester Laune und strahlte mich mit ihrem rosigen Gesicht an.
»Oh, wie schön, haben Sie neue Hoffnung im Fall Dortmund geschöpft?« fragte ich beim Eintreten.
»Ach die!« Schwester Gertrudis machte eine abwertende Handbewegung. »Die müssen erstmal ihr Krankenlager wieder flott kriegen. Sonst gewinnen die in dieser Saison doch keinen Blumentopf mehr.« Ehrfürchtig lauschte ich Gertrudis’ qualifizierten Kommentaren. »Nein, was mich heute so munter stimmt, ist dieses Päckchen.« Sie hielt einen geöffneten, wattierten Umschlag in der Hand. »Meine Schwester hat mir ein neues Computerspiel geschickt. Das muß ich gleich erstmal ausprobieren.«
Hörte ich recht? Ballerte Schwester Gertrudis in ihren Kaffeepausen Flugzeuge an ihrem Bildschirm ab? Oder gab es vielleicht schwesterngerechte Spielesoftware, bei der man durch ein verwunschenes Labyrinth den Weg zum Allmächtigen finden sollte? Gertrudis ließ mir nicht viel Zeit zum Nachdenken. Sie nahm ein paar persönliche Daten von mir auf und widmete sich dann einer anderen Beschäftigung. Natürlich, sie hatte nicht viel Zeit, wenn sie sich gleich auf ihren spannenden Neuerwerb stürzen wollte. Ich machte mich daher auf den Weg ins Lehrerzimmer, um mir meinen Stundenplan zu holen. In der letzten Ferienwoche war der Betrieb in der Schule deutlich größer als in den ersten beiden Wochen. Hier und da begegnete ich Kollegen, einige davon hatte ich schon auf Roswithas Party kennengelernt, die meisten aber waren mir völlig unbekannt. Es liefen auch schon eine Menge älterer Schüler herum. Leo klärte mich auf, daß die meisten von ihnen sich in der Turnhalle auf ihre Abiturprüfungen in Sport vorbereiteten. Im Lehrerzimmer stürzte sich zunächst Schwester Wulfhilde auf mich, die nach den Ostertagen aus ihrem Heimaturlaub zurückgekehrt war.
»Herr Jakobs, wie schön, Sie wiederzusehen! Ich hörte, Sie haben bereits eine
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