Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)
Entscheidung treffen, d amit die Verletzten überleben. Im Helikopter, der die schnellere Rettung garantierte, war nur Platz für einen Patienten, der zweite würde unweigerlich mit dem Krankenwagen abtransportiert werden und länger unterwegs sein. Aber wer von den Beiden hatte die schnellere Hilfe am nötigsten? Für Untersuchungen war keine Zeit. Inspiration war angesagt, denn über die hilfreiche Erfahrung und Routine seiner Kollegen, mit denen er bisher unterwegs war, verfügte er nicht. In diesem blutverschmierten Hotelzimmer schien jeder, Sanitäter, die Polizei und der Hotelpage, auf sein Kommando zu warten. Er fühlte sich beobachtet und unter extremem Druck. Gespielt souverän griff er zur Taschenlampe und leuchtete der Frau in die Augen. Keine Reaktion. Ihre Pupillen blieben geweitet und waren bereits gerundet. Sie reagierten nicht mehr auf den grellen Lichteinfall, daraus schloss er, dass der Hirntod eingetreten sein könnte und für sie sowieso jede Rettung zu spät kam. Ihr Partner, oder Liebhaber, was auch immer, blutete schwächer, auch er war bewusstlos, aber stabiler und hatte eher eine Überlebenschance. Also entschied er, dass der Mann geflogen und sie mit dem Einsatzwagen in das nächste Krankenhaus abtransportiert wird.
Ängstlich erklärte er dem Unfallchirurgen seine Beweggründe.
„Also, die Alte hat, auf gut Deutsch, Pech gehabt“, frotzelte dieser und machte sich an die Arbeit. Vollkommen verunsichert blieb der Notarzt in der Ecke stehen und überlegte, was der saloppe Spruch zu bedeuten hatte. Pech, weil er die falsche Entscheidung getroffen hatte, oder Pech, weil seine Diagnose stimmte, ihr Leben demzufolge zu Ende war? Doch er traute sich nicht nachzufragen und bemerkte freudig, dass sein Patient die Augen öffnete und versuchte, sich aufzurichten. Die Krankenschwester drückte ihn mit ihrem kräftigen, speckigen Arm kommentarlos wieder auf den OP-Tisch. Sie war dick, schon leicht in die Jahre gekommen, mit faltiger, weißer Gesichtshaut und schmalen rosa Lippen. An ihrer toupierten, blond gefärbten Hochfrisur heftete im Nacken eine hellblaue Schleife, genauso altmodisch wie ihre Besitzerin, aber farblich passte das Accessoire bestens zum blauen Kittel, der über ihrem gewaltigen Oberkörper spannte. Franks Blick wanderte durch den Raum. Vier Ärzte standen um ihn herum, und drei Krankenschwestern warteten auf ihre Befehle. Dazwischen der junge Notarzt. Schmal, blass, mit Brille auf der zu groß geratenen Nase. Er sah wie ein braver Hochschüler und nicht wie ein knallharter Lebensretter aus und fing erneut an, sich zu erklären, während er auf Frank zeigte.
„Ihn habe ich mitgenommen, weil ich nicht wusste, welches Gefäß verletzt war und ob es sich um eine arterielle Verletzung handelt, deshalb war es meiner Meinung nach notwendig, ihn mit dem Heli zu transportieren.“
„Schon gut, Kollege. Er hat zwar nur eine Venenverletzung, aber das konnten Sie am Unfallort nicht sehen. Sie haben alles richtig gemacht. Glückwunsch.“ Der ältere, grauhaarige, leicht untersetzte Unfallchirurg klopfte dem Youngster väterlich auf die Schulter.
„Ist nicht leicht, so ein erster Einsatz in Eigenverantwortung.“ Eilig verabschiedete er nun alle Herrschaften und blieb mit der dicken Schwester zurück, die sich daran machte, Frank die Wunde zu desinfizieren.
„Na, dann machen wir uns mal an die Arbeit. Schwester Angelika, lassen Sie das Nahtmaterial rüberwachsen“, und Schwester Angelika machte alles so, wie der Unfallchirurg es ihr sagte.
Frank betrachtete sie aufmerksam und fragte scherzend, ob das Nähen schmerzen würde. Mürrisch antwortete sie mit schwerem rumänischen Akzent.
„Im Dschungel legt man über so eine Wunde ein paar Blätter. Fertig.“
Sie ließ ihn voll abblitzen und versuchte mit dem Arzt, die neuen skandalösen Entwicklungen in der Schönheitschirurgie zu diskutieren.
Während er zustach und Frank präzise jeden Schritt erklärte, den er unternahm. Die Vene wurde unterbunden, eine Drainage gelegt, dann die Gefäßnaht gemacht, dann die Hautnaht. Schwester Angelika durfte anschließend den sterilen Verband umlegen und erzürnte sich dabei über die schreckliche Tatsache, dass immer mehr Eltern ihren Töchtern eine Brustvergrößerung zum Abitur schenken und dies salonfähig sei, ja regelrecht Mode würde.
„Bizarr, äußerst bizarr, Schwester Angelika.“
Das Thema interessierte den Unfallchirurgen überhaupt nicht, er war ein Arbeiter, ein Handwerker,
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