Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)
sterben?“
„Natürlich nicht, aber sie wollte es doch so. Sie hat mich doch angestiftet. Es war ihr Plan. Sie hat das Messer besorgt, sie hat das Hotelzimmer gebucht, sie hat mich so beeinflusst, dass ich gar keine andere Wahl hatte. Sie ist an der Tragödie Schuld, ich war nur ihr Diener und habe, wenn Sie so wollen, auf Befehl gehandelt.“
„Und sich strafbar gemacht.“ – „Wie meinen Sie das, Herr Kommissar?“ Frank wirkte leicht erzürnt, seine Stimme klang vorwurfsvoll. Der Kommissar war über die Dreistigkeit, mit der sein Gegenüber auftrat, mehr als erstaunt. Dieser Vorstadtarzt hatte gerade ein Geständnis abgelegt und schien sich keiner Schuld bewusst. Mit unantastbarer Klarheit verkaufte er sich als Opfer, das zur Tat regelrecht gezwungen worden war. Dr. Stein schien nicht realisieren zu wollen, dass sein Handeln, juristisch gesehen, zumindest als Tötung auf Verlangen bewertet werden konnte, im Extremfall als Mord.
„Wenn ich Sie richtig verstehe, dann war das Tötung auf Verlangen, das kann bis zu fünf Jahre Gefängnis geben, Dr. Stein.“ Frank lachte höhnisch.
„Ihnen wird das Lachen noch vergehen. Wir sind hier nicht im Kabarett, sondern mitten in einer polizeilichen Vernehmung im Zuge einer Ermittlung, die für, aber auch gegen Sie ausgehen kann.“
Frank stieg lässig von seinem Stuhl auf, ging zum Garderobenständer und suchte in seiner Jacke nach Zigaretten. Anscheinend beeindruckten ihn die Worte des Kommissars nicht besonders. Er drehte ihm den Rücken zu und schien es nicht nötig zu haben, ihn anzusehen, als er selbstsicher zurück fragte:
„Wirklich?“ „Ja wirklich.“ Der Kommissar fixierte Franks Rücken, automatisch drehte er sich um. Der Trick funktioniert immer, dachte er und lächelte den arroganten Doktor siegessicher an. Knisternde Energie füllte den Raum, und die beiden Männer standen sich wie Stier und Torero bei der Corrida gegenüber.
Einer würde nachgeben, einer würde dieser Spannung nicht standhalten, und zwar der, der etwas zu verbergen hatte, das wusste der Kommissar und wartete geduldig.
„Ich werde ab sofort nichts mehr ohne einen Anwalt sagen.“ Frank hatte verloren, er schien die Tragweite seiner Aussage zu realisieren, wie viele Geständige glaubte auch er, alleine nichts rückgängig machen zu können, und seine Stärke verlierend, hoffte er nun auf Hilfe.
„Ich bin erschöpft und möchte mich ausruhen.“
„Wie Sie wollen.“ Der Kommissar machte keine Anstalten, ihn zu der Fortsetzung des Gesprächs zu überreden, denn er hatte, was er brauchte. Ein Geständnis.
Er drückte den Personalruf, und zwei Sanitäter kamen in den Raum. Der eine stellte sich rechts, der andere links von Frank. Gleichzeitig griffen sie ihm unter die Arme und schoben ihn zur Tür.
„Was machen Sie mit mir?“
„Wir bringen Sie auf Station.“
„Lassen Sie bitte los, das tut weh, ich komme ja mit, meine Güte, bleiben Sie doch locker!“
„Das sagen sie alle.“
Sein Protest verpuffte im Nichts. Niemand interessierte sich für ihn, niemand wollte ihn hören, niemand ließ locker.
Frank wurde durch ein Labyrinth von endlos langen Korridoren im Untergeschoss des Krankenhauses unter Aufsicht des Kriminalbeamten geschoben. Für einen Neuankömmling war es schier unmöglich, die Orientierung zu bewahren. Blau gestrichene Wasserleitungen zogen sich an den nackten, vergilbten Wänden entlang, die dringend eines Anstrichs bedurften. Es gab keine Hinweisschilder, keine Bilder, keine Sitzgelegenheiten, einfach nichts. Schweigend marschierten sie durch das alte Gebäude, ohne einem Menschen zu begegnen. Nur der verschlissene, graue Linoleumboden deutete auf die hohe Publikumsfrequenz in all den Jahren hin. Oberhalb der Gänge reihten sich kleine viereckige Fenster ohne Öffnungsgriffe aneinander, zu hoch, um durchsehen zu können. Schwach fiel das zur Neige gehende Tageslicht ein. Von einem Gang bogen sie in den nächsten und wieder in den nächsten. Die Reise schien endlos. Jetzt tauchten vereinzelt Wandmalereien auf. Die grimmigen Fratzen der Struwwelpeter-Figuren trieben ihr Unwesen. Der böse Friederich, der Daumenlutscher, der Suppenkaspar, der Zappelphilipp und die schwarzen Buben zierten den Weg in die geschlossene Psychiatrie.
„Aha, ich befinde mich in guter Gesellschaft. Ich war schon als Student ein großer Fan von Herrn Hoffmann.“ Franks Bemerkung wurde ignoriert. Stur schoben ihn die Sanitäter geradeaus, und er parlierte
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