Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)
mich!“
Frank tätschelte Schwester Coras Handrücken, war freundlich, und besonnen, so dass sie sich im Ernst fragte, ob die Anweisung nicht maßlos überzogen war, aber alleine durfte sie keine Entscheidung fällen, und bat ihn einen Moment zu warten. Der Stationsärztin erläuterte sie, wie nett und ausgeglichen der neue Patient sei, übernahm die komplette Verantwortung für ihn und besorgte, was er wünschte. Ein Einzelzimmer.
Frank dankte ihr mit Handkuss und verschwand mit der Erklärung, „er wolle sich etwas frisch machen, denn es käme gleich Besuch“.
„Besuch? Sie sind gerade erst eingewiesen, das wird heute nichts.“ Kaum hatte die Schwester den Satz ausgesprochen, klingelte es an der Pforte. Josef und Franks Ehefrau traten ein und begrüßten ihn herzlich. Das Szenario geriet außer Kontrolle, denn die offizielle Besuchszeit lief, und da es noch keine klare Behandlungsanweisung für diesen Patienten gab, gab es auch kein Verbot. Die drei landeten im Besucherzimmer.
„Kann man hier auch rauchen?“, fragte Frank gut gelaunt.
„Nein, da müssen Sie in den Garten“.
„Dann gehen wir eben in den Garten, und anschließend hätten wir gerne einen Kaffee, da spricht doch nichts dagegen, oder, Schwester?“
Frank verschwand mit seinen Besuchern und ließ sich von einem Patienten den Weg erklären. Schwester Cora überlegte, ob sie die Stationsärztin informieren sollte, doch das tat sie nicht. Was hier gerade ablief, ging entschieden gegen die Regeln, und sie war für deren Einhaltung verantwortlich. Eigenmächtiges Handeln war strengstens untersagt, und sie hatte gerade eigenmächtig gehandelt. Den zu erwartenden Ärger hatte sie höchstpersönlich vorprogrammiert. Da half nur noch ein geschicktes Ablenkungsmanöver, und sie entschied deshalb, die Aufsicht einem ahnungslosen Pfleger zu übergeben.
„Wenn Dr. Stein zurückkommt, werden seine Gäste nach Hause geschickt, und es gibt keinen Kaffee, haben Sie mich verstanden?“
Der Pfleger nickte verwundert über die Anweisung. Es hatte auf der Station noch nie Kaffee für Besucher gegeben.
Echauffiert stolzierte Frank mit seinem Besuch zum Raucherplatz.
„Das ist ja schrecklich. Das ist ja fürchterlich“, rief er mitleidig, als er den Perso nalraum passierte. „Wie halten die das aus? Diese verschmierten Wände und Türen und dann dieser armselige mickrige Rasenplatz, den Sie Garten nennen! Schaut Euch das an, dieses Fleckchen grün im Schatten von meterhohen Mauern, hier soll ich mein Dasein fristen. Das ist ja wie im Gefängnis!“
Auf des Pflegers Anweisung reagierte er verständnisvoll, betrat folgsam sein Zimmer und bestellte Zeitschriften. Er fragte nicht nach Saskia, zeigte keine Traurigkeit, Sorge oder Verletztheit. Er wirkte wie ein freundlicher Besucher, ein zu freundlicher Besucher, wie die Nachtschwester fand, denn am Abend nahm Frank Stein immer intensiver Kontakt zu ihr auf. Ohne Erlaubnis spazierte er in der Schlafenszeit den Gang auf und ab, amüsierte sie mit Anekdoten aus seinem Praxisalltag und verwickelte die Dame in eine lange Unterhaltung. Wurde er auf sein Zimmer geschickt, drückte er immer wieder die Ruftaste und versuchte, die Schwestern am Bett mit kleinen Aufgaben zu beschäftigen, bedankte sich und schmeichelte ihnen mit großzügigen Komplimenten, so dass sie, die Vorschriften missachtend, gerne etwas länger blieben und ihm Gesellschaft leisteten. Er bekam fortan, was er wollte, egal ob es erlaubt oder verboten, üblich oder unüblich war. Wurde ein Wunsch abgelehnt, fiel er sofort in eine devote Haltung oder begann mit großen Gesten und Argumenten, das Personal zu überzeugen. Am Ende des ersten Tages hatte er bereits das Privileg, auf seinem Zimmer essen zu dürfen, nachdem er erklärt hatte, dass er ja nicht geisteskrank sei und keinen Grund sehe, sich mit Psychopathen und Neurotikern an einen Tisch zu setzen. Das gemeinsame Essen im Speiseraum sei unzumutbar für ihn, einen Betrogenen, der sich redlich bemühe, wieder den Zugang in ein geordnetes Leben zu finden. Unter diesen destruktiven Einflüssen wäre er zum Scheitern verurteilt, und das wolle doch wohl niemand auf der Station verantworten. Tat auch niemand, obgleich die Stationsärztin Bedenken hatte, die sie nicht äußerte, und immer wieder das Pflegepersonal anwies, den Kontakt zu diesem Patienten auf das Nötigste zu beschränken.
Kapitel 14
„Sagen Sie, stimmt das, was ich da gehört habe?“, fragte Oskar Schmitt beiläufig
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