Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)
Goldkette fragen und fuhr wieder in Dr. Steins Praxis, diesem verwunschenen Hexenpfuhl. Im leichten Nebel der nachmittäglichen Dämmerung entdeckte sie auf einer paradiesischen Waldlichtung ein Reh, das sein Kitz säugte. Das idyllische Bild wirkte geradezu grotesk, nach allem, was sie in den letzten Tagen erfahren hatte. Saskia war ihrer Rolle als Mutter nicht gerecht geworden und hatte ihr Kind ohne Schutz gelassen. Weil sie selbst nie beschützt worden war, nie gelernt hatte, zu beschützen? Ihr Leben lang war sie mutterseelenallein durch einen großen dunklen Wald geirrt und wusste nicht, wie sie sich selbst helfen sollte. Dieses Schicksal hatte Saskia von ihrer verstorbenen Mutter geerbt und an ihre Tochter weitergegeben. Denn auch Greta ängstigte sich und war schutzlos einer Situation ausgeliefert, die sie überforderte.
Josef kam geschäftig auf sie zu und schob sie in ein Behandlungszimmer. Er war in Eile. Hoch motiviert berichtete er über die steigende Patientenzahl, seit er hier Chef sei. Über Saskias Selbstmord wollte er partout nicht mehr reden, doch diesmal blieb Olivia stur.
„Hast Du Greta die Goldkette geschenkt?“
„Welche Goldkette?“
„Die mit dem Medaillon und dem Einhorn darauf.“
Josef drehte nachdenklich an seinem Ring.
„Sie hat diese Goldkette, sagst Du?“
Kleine Zornesfalten zogen sich zwischen Olivias Augenbrauen zusammen. Sie hasste diese Dummstellerei. Eine typisch männliche Taktik, wie sie fand, um unangenehmen Fragen auszuweichen. Josef schwieg und überlegte, wie Greta an die Kette gekommen sein konnte, die er Saskia bei ihrem letzten Zusammentreffen um den Hals legte. Es war am Nachmittag, kurz vor ihrer Abfahrt nach Berlin, sein Abschiedsgeschenk, denn er kannte Franks Vorhaben. Er wusste, dass Saskia sterben würde, schließlich hatte er Frank bestärkt, auf ihren bescheuerten Wunsch, gemeinsam Selbstmord zu begehen, einzugehen. Wenn er sie nicht besitzen durfte, dann durfte sie auch Frank nicht besitzen, der Saskia für seine frivolen Gruppensexabende missbrauchte und ihn wie einen Türsteher behandelte. Nie hatte er ein Problem damit, Franks Orgien zu vertuschen, seine Frau zu belügen, solange für ihn etwas dabei abfiel und das Kommen und Gehen mit einem Nimmerwiedersehen endete, aber als Saskia auftauchte, war es um ihn geschehen. Sie war tausendmal schöner als diese biederen, aufgedonnerten Frauenzimmer mit ihren verbrauchten, alternden Körpern. Unkonventionell, was ihn begeisterte, emotional, was ihn fesselte. Er konnte nicht mehr von ihr lassen, er wollte nur sie, und ausgerechnet sie fand seine Berührungen plötzlich langweilig. Als er von ihrer Schwangerschaft erfuhr, kickte sie ihn raus, weil er auf einen Vaterschaftstest bestand. Er wollte der Vater dieses ungeborenen Kindes sein, und als er ihr das sagte, da lachte sie ihn aus. Wie ein geprügelter Hund saß er fortan schmachtend in der Praxis und beschäftigte in seiner Verzweiflung Greta, während Saskia sich Frank hingab. Ein unerträgliches Spiel war das, und er wollte nicht länger der Trottel sein. Er begann, Franks Frau zu beeinflussen und informierte sie heimlich über die rückgehenden Patientenzahlen. Die Sache war ganz einfach. Ein paar Aktfotos und Saskias Tagebuch reichten aus, um sie in Fahrt zu bringen. Sie machte Druck und zwang Frank, sein Verhältnis und den geheimen Swingerclub in der Praxis aufzugeben. Doch Franks Loslösungsprozess scheiterte, Saskia verfolgte ihn hartnäckig und versuchte, ihn zu binden. Ihre Forderungen zermürbten ihn, machten ihn panisch. Der Gipfel war dann die vorgetäuschte Schwangerschaft, mit der sie ihn emotional fesselte. Sentimental wurde er und glaubte, der Vater zu sein, dabei war er es doch, Josef. Immer intensiver wurde seine Gier nach Macht, nach Saskia, alles zu besitzen, was Frank gehörte. Also schickte er Albert einen anonymen Brief, und der gehörnte Ehemann reagierte wie vorgesehen. Er zwang Frank, die Abtreibung zu organisieren und die Beziehung zu beenden. Das Hagelfeuer kam von allen Seiten, und Frank flüchtete ziellos durch die Pampa, seine Ängste und Zwänge offenbarte er ihm, dem Freund, und Josef konnte zum finalen Schuss ansetzen. Der gemeinsame Selbstmord war Saskias Idee. Er wusste, dass sie an ein Leben mit Frank nach dem Tod glaubte. Darüber hatte sie öfters mit ihm gesprochen. Also beschwor er Frank, diese Idee zu verfolgen. Saskia vorzugaukeln, dass er mit ihr zusammen diesen Erdball nun verlassen würde, aber Josefs
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