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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Pflanze rechts und links des Tisches, eine Stehlampe, und lüften musste man natürlich auch.
    Der Friedensrichter traf kurz nach halb zehn Uhr abends ein. Äußerst unamüsiert betrat er das Haus; der Anblick des improvisierten Trauungsraumes hob seine Laune nur unwesentlich. Er legte mit einem knappen Nicken die abgeschabte Mappe auf den Tisch, die er unter dem Arm getragen hatte, und entnahm ihr, was er an Dokumenten, Stempeln und dergleichen benötigte.
    »Sind Sie das Brautpaar?«, fragte er Markus und Amy-Lee knapp und meinte, als sie ihm das bestätigten: »Gut. Dann wollen wir beginnen.«
    Er hatte ein schiefes Gesicht, einen krummen Rücken und wirkte derb wie ein Bauer, aber sein Geschäft beherrschte er im Schlaf. Er prüfte die Pässe, hatte kein Problem damit, Markus’ Europapass zu entziffern, nahm die Personalien der Zeugen auf, füllte die Heiratslizenz aus und hielt anschließend eine überraschend eindrückliche Ansprache, und das alles, die ganze Prozedur, die sich da entfaltete, war wie ein Strudel, in dem Markus versank. Irgendwann wurde er gefragt, ob er die hier anwesende Amy-Lee Wang zu seiner rechtmäßigen Ehefrau nehmen wolle, und er sah in ihre Augen, die jung waren und alt zugleich, und sagte Ja, und es ging weiter, und sie sagte Ja zu ihm, und dann erklärte der dunkle, schiefe Mann sie zu Mann und Frau.
    Einen Atemzug später und noch ehe sie dazu kamen, sich zu küssen, schrie Amy-Lee auf, und ein Sturzbach klarer Flüssigkeit platschte zwischen ihren Beinen auf den Teppich.
    »Jetzt aber!« rief Bernice höchst befriedigt. »Die Fruchtblase ist geplatzt.« Sie nahm die frisch gebackene Mrs. Westermann am Arm und führte sie unter beruhigendem Zureden hinaus.
    Xiao bewahrte asiatischen Gleichmut und gratulierte Markus mit wohlgesetzten Worten. Der Richter griff nach dem bereitstehenden Glas Champagner, stürzte den Inhalt hinunter und erklärte: »Ich habe schon weiß Gott viel erlebt, aber so was noch nicht.«

Kapitel 50
    M arkus verabschiedete Xiao und den Friedens richter, und als er wieder ins Haus kam, hatten bei Amy-Lee die Wehen eingesetzt, ein Anblick, der ihn nicht wenig aus der Fassung brachte. Es sah aus, als würden Dämonen an ihrem Körper zerren, und auf einmal schien ihm ganz und gar undenkbar, dass der Vorgang der Geburt so ablaufen konnte, wie er es in der Schule gelernt hatte.
    Zum Glück war Bernice da und die Ruhe selbst, ein unbeirrbarer Fels in der Brandung. Sie redete der werdenden Mutter gut zu und hielt den immer nervöser werdenden Vater mit allerlei Arbeiten beschäftigt.
    Er bekam kaum mit, wie der Tag anbrach und die Sonne in den Himmel kletterte. Es gab in diesen Stunden nur Amy-Lee, die schwitzte und schrie und fluchte und von Kräften geschüttelt wurde, die jenseits ihrer Kontrolle waren. Und Bernice, die immer wieder sagte: »Du machst das großartig, Amy-Lee.«
    Und endlich war es so weit und das Wunder geschehen. Ein Mädchen. Winzig und blutverschmiert und zerknittert und hässlich und einfach wunderbar lag es auf Amy-Lees Brust, ein menschliches Wesen in Miniaturausgabe, an dem tatsächlich alles dran war. Es ballte die Fäustchen und protestierte aus Leibeskräften, während die riesenhafte Bernice zufrieden summend an ihm herumhantierte.
    Erst jetzt merkte Markus, dass er heulte und flennte und völlig am Ende war. Dabei hatte er gar nichts gemacht! Nichts außer Amy-Lee zu halten. Wie lachhaft, von den Männern als dem starken Geschlecht zu sprechen , dachte er.
    Die Stille danach war vollkommener Frieden. Sie lagen in einem sauberen Bett, alle drei, das Kind gebadet, gestillt und in weiche Tücher gewickelt, und Müdigkeit senkte sich auf sie herab, so unbezwingbar wie die Schwerkraft selbst.
    »Ein Wunder«, murmelte Markus, ganz in die Betrachtung der unfassbar winzigen Schrumpelfinger seiner Tochter versunken.
    »Das sagst du jetzt bestimmt zum zwanzigsten Mal«, meinte Amy-Lee matt.
    Er spürte ein Lächeln auf seinem Gesicht. Das geschah neuerdings ganz von selbst. »Ich hätte geschätzt, zum hundertsten Mal.«
    Es roch nach Baby. Nach Milch. Nach irgendwelchen Cremes, Puder und Shampoo. Bernice hatte ihn angeleitet, das Kind zu baden, und er hatte tatsächlich nichts daran kaputt gemacht.
    »Wie nennen wir sie denn nun?«, fragte Amy-Lee.
    Markus überlegte. »Joy.«
    »Ich dachte an Carolin. Nach meiner Mutter.«
    »Auch schön.« Er probierte beides im Geist aus, versuchte sich vorzustellen, wie es sein würde, nach einem Kind zu

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