Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
nicht rentiert.«
»Die Zahlen waren bisher nicht ermutigend. Wenn man Äthanol – so heißt der trinkbare Alkohol – aus pflanzlichen Grundstoffen gewinnt, benötigt man insgesamt rund 36000 Kilojoule Energie für Anbau, Düngung, Ernte und vor allem Destillation, um einen Liter davon zu gewinnen. Der Energiewert dieses Liters beträgt seinerseits aber nur 21200 Kilojoule. Das heißt, wir haben einen Verlust von über vierzig Prozent.«
»Du sagst: ›bisher‹?«, warf Amy-Lee ein.
»Mein Vater hat sich Folgendes überlegt: Wenn man die Abfälle nutzt, die bei der Landwirtschaft ohnehin anfallen – die leeren Stauden, die Hüllblätter beim Kohl, die Spreu, das Stroh, alles, was an einer Maisstaude oder einer Sonnenblume nicht essbar ist – dann hat man kaum zusätzlichen Energieaufwand. Denn man pflanzt das alles zu Ernährungszwecken ohnehin an, nicht wahr? Dann muss man nur noch die Destillation umgehen …«
»Nur noch?«
Markus nickte. »Das ist der Dreh dabei. Mein Vater hat einen Weg gefunden, den Alkohol ohne Destillation zu gewinnen.« Er streckte sich nach der Faltschachtel aus, in der sie eine dicke, schwarze, etwa einen Quadratmeter große Folie von eigentümlicher Beschaffenheit vorgefunden hatten. Er hob sie an. »Das ist eine – na, heute würde man sagen, nanotechnisch hergestellte Folie, die durch eine Art Osmoseprozess aus dem Sud kontinuierlich Alkohol extrahiert. Sie hat zwei Seiten – eine geriffelte und eine glatte. Der Sud ist auf der glatten Seite, und auf der anderen, der geriffelten, tritt eine Mischung aus Äthanol und Methanol aus, die giftig ist, wenn man sie trinkt, sich aber bestens in Motoren verbrennen lässt.«
»Die Lösung des Transportproblems«, konstatierte Amy-Lee.
»Genau. Alkohol ist fast so energiereich wie Benzol und kann es problemlos ersetzen. Zudem verbrennt er umweltfreundlicher, und da er aus Pflanzen gewonnen wird, entsteht kein zusätzliches Kohlendioxid.«
Bernice räusperte sich. »Kann mir mal jemand erklären, was das ist: Osmose ?«
Markus zog ein Blatt hervor, auf dem ein paar Grundlagen auf Englisch erklärt standen. »Ein Diffusionsvorgang zwischen zwei Lösungen unterschiedlicher Konzentration, die durch eine halbdurchlässige Membran voneinander getrennt sind«, las er vor. »Das klingt immer noch kompliziert, aber ich glaube, das Beispiel ist einleuchtend: Die Niere funktioniert nach dem Prinzip der Osmose. In den Nieren gibt es Membranen, durch die Wasser, Harnstoffe und sonstige unerwünschte Stoffe aus dem Blut in den Harn überwechseln, während alles andere bleibt, wo es ist. So ähnlich muss man sich das hier auch vorstellen.«
Amy-Lee furchte die Stirn. »Das klingt so verdächtig einfach. Da fragt man sich immer, warum da noch kein anderer draufgekommen ist.«
»In Wirklichkeit ist es nicht einfach«, sagte Markus. Er stapelte die Unterlagen entsprechend der Problembereiche, die darin behandelt wurden. »Der Prozess läuft nur dann von selbst ab, wenn bestimmte Umgebungsbedingungen gegeben sind. Und alles hängt von dieser Folie ab. Das ist im Grunde eine hochkomplizierte Maschine, die im Stande ist, das Alkoholmolekül sozusagen auszusieben, ohne das wesentlich kleinere Wassermolekül passieren zu lassen. Die Beschreibung, wie sie herzustellen ist, liest sich ziemlich anspruchsvoll.«
Am späten Nachmittag saßen Amy-Lee und Markus gemeinsam auf der Couch, das Durcheinander der Unterlagen vor sich auf dem Teppich. Wo Bernice abgeblieben war, hatte Markus nicht mitbekommen; es war ihm auch egal. Ihm genügte es, hier zu sitzen und der Sonne zuzusehen, die sich orangerot auf den Horizont zu senkte und gesprenkeltes Licht auf die Baumwipfel zauberte. Träge Wärme erfüllte den Raum, der mit riesigen Pflanzen vollgestellt war.
»Und was hast du jetzt vor?«, fragte Amy-Lee.
Markus betrachtete sinnend die Papierstapel, das Vermächtnis seines Vaters. »Ich denke, das ist mein Weg. Die Erfindung meines Vaters zu vervollständigen. Zu Ende zu führen.«
»Aber du bist doch nicht gerade der Tüftler und Bastler. Und mit ein paar Mausklicks und klugen Sprüchen wirst du nicht weit kommen.«
»Das Zeitalter der Mausklicks ist, glaube ich, sowieso vorbei. Und alles andere kann man lernen.«
»Und wo willst du das machen? Und wie?«
Am liebsten hier , dachte Markus. Bei dir. »Weiß ich noch nicht.«
»Du wirst Geld brauchen.«
»Klar. Das wird auch nicht leicht. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich polizeilich gesucht werde,
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