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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Im Hintergrund standen Pappkartons, die Regale waren zur Hälfte leergeräumt. »Ich hab ein Schild gemalt, aber vergessen, es rauszuhängen. Merk ich erst jetzt.«
    »Was für ein Schild?«
    »Dass der Laden geschlossen bleibt.« Er musterte sie kurz. »Meine Mutter ist am Samstag gestorben.«
    »Oh! Oh, das tut mir Leid.« Dorothea war überrascht über den Schmerz, den sie fühlte. Die alte Frau und sie hatten sich gerade angefangen zu befreunden, und nun …
    »Das muss Ihnen nicht Leid tun. Sie war dreiundachtzig. Und sie ist so gestorben, wie sie es immer gewollt hat; mitten aus der Arbeit. Sie hat sogar noch die Buchhaltung erledigt. Hat die Monatsabrechnung gemacht, sich aufs Sofa gelegt und aus.« Er klang nicht sonderlich traurig, eher verärgert.
    »Ja. Verstehe.« Dorothea wusste nicht, was sie sagen sollte. »Und der, ähm … der Laden?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Der hat eh nichts eingebracht. Gelebt hat sie von ihrer Rente. Sie entschuldigen?« Er befestigte das Schild, auf dem Laden wegen Todesfall bis auf weiteres geschlossen stand, wandte sich dann grußlos ab und schloss die Tür wieder zu.
    Danach hörte Dorothea, wie er dahinter herumfuhrwerkte. Es klang, als geschehe es achtlos, ja widerwillig.
    Sie wandte sich um, schaute über den Dorfplatz, eigentümlich angerührt, so, als sei dies ein Moment, der herausgehoben war aus dem normalen Ablauf der Zeit. Da – das Bürgermeisterhaus, in dem heute nur noch ein Ortsvorsteher tätig war, und auch das nur an zwei Tagen in der Woche. Das Wirtshaus Zum Krug – eine graue, heruntergekommene Spelunke. Das Gebäude daneben war einmal ein Geschäft gewesen, ein Modegeschäft vielleicht, dem Schaufenster nach zu urteilen, das hinter der staubigen, blinden Scheibe leer dalag, seit sie das erste Mal hier durchgekommen war. Die Kirche sah so baufällig aus, dass sie gezögert hätte, sie zu betreten.
    Was war das eigentlich hier für ein Dorf? Das sah alles so … tot aus. Wie ein verstaubter Speicher voller vergessener, alter Dinge. Dies war kein Lebensraum, dies war nur ein Abstellplatz für Wohnhäuser.
    Wie in Trance, erfüllt von einer seltsamen Traurigkeit, die nicht allein der alten Frau Birnbauer galt, sondern dem Zustand der Welt allgemein, kam Dorothea wieder zu Hause an. Ratlos stand sie vor der offenen Kühlschranktür, überlegte, was sie zu Mittag machen konnte. Kein Laden mehr im Dorf. Nein, sie würde jetzt nicht wegen sechs Eiern dreißig Kilometer weit fahren. Sie musste umdisponieren.
    Na ja, jemand anders würde den Laden übernehmen, oder? Eine der großen Ketten. Das würde nicht mehr so romantisch sein, aber besser als nichts.
    Und jetzt auch noch das Telefon. Hauptsache, man kam nie dazu, in Ruhe nachzudenken!
    »Utz?«
    Eine Stimme, die sie nicht kannte. Ein Mann. Er sprach ein abgehacktes, gutturales Deutsch. »Hallo? Hier ist …« Er nannte einen Namen, den Dorothea nicht verstand, und fragte: »Ist Achim da?«
    »Achim?« Verwählt, ganz klar.
    »Ja. Achim.«
    »Hier gibt es keinen Achim.«
    »Oh! Bin ich nicht bei Familie Achim Anstätter?«
    Jetzt begriff Dorothea. »Ach so … Nein. Nicht mehr. Das war der vorige Besitzer dieses Hauses. Die Nummer stimmt, aber die Familie Anstätter wohnt nicht mehr hier.«
    Eine lange Pause entstand. »Ich verstehe«, sagte der Mann schließlich. »Er hat Ihnen das Haus verkauft.«
    »Ja.«
    »Dann hat er schnell reagiert.«
    Mit einem Schlag war das Misstrauen, das Dorothea vergessen und abgehakt geglaubt hatte, wieder wach, wie ein Tier, das im Dunkeln gelauert hatte. Sie merkte, wie es ihr kalt über den Rücken lief. »Bitte? Was meinen Sie damit?«
    Er ging nicht darauf ein. »Können Sie ihm etwas ausrichten?«
    »Was meinen Sie mit ›schnell reagiert‹?«, beharrte Dorothea. Was war mit dem Haus?
    »Nichts. Ich habe mich versprochen. Deutsch ist nicht meine Muttersprache; ich beherrsche es nur lückenhaft.« Ein tiefer Atemzug, dann: »Bitte, richten Sie Herrn Anstätter Folgendes aus …«
    Dorothea tigerte unruhig durch die Küche, während sie Werner von dem Telefonanruf erzählte. »Er wollte mir nicht sagen, was er damit gemeint hat. Er hat einfach abgestritten, es überhaupt gesagt zu haben. Aber ich spinne doch nicht; ich habe es genau gehört. ›Dann hat er schnell reagiert‹. Genau das hat er gesagt.«
    »Das muss trotzdem nichts zu bedeuten haben. Vielleicht war es tatsächlich ein Versprecher. Wenn ich im Büro auf Englisch telefoniere, passieren mir auch solche

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