Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
draußen?«, frage ich und sehe ihn vorwurfsvoll an.
»Nur im Garten.«
»Dann wirst du jetzt deinen Hintern erheben und einen Spaziergang mit ihm machen. Deine Beine sind doch unversehrt, oder?« Als er in sicherer Entfernung ist, klappe ich seinen Computer auf und sehe erschrocken auf eine Website für online Black Jack. Mit meinem Fuß berühre ich eine fast geleerte Flasche Whiskey, die Tobias unter dem Schreibtisch versteckt. Ich bin außer mir vor Wut. Im Beisein von Clara will ich nicht ausrasten. Also gehe ich ihm entgegen. Auf dem steilen Weg zur Hauseinfahrt treffe ich auf ihn und den Hund, der ohne Leine kreuz und quer auf der Straße läuft.
»Bist du sicher, dass du dir nur die Schulter verletzt hast. Oder kann es sein, dass dein Kopf einen Schaden davon getragen hat? Du säufst schon am Tag, verzockst Geld beim Glückspiel, kriegst den Mund nicht mehr auf und ziehst dich immer mehr zurück. Sind wir dir völlig egal? Was hast du vor? Willst du mich aus dem Haus treiben? Dann mach nur so weiter! Denn wenn du das beabsichtigst, hast du den richtigen Weg eingeschlagen!« Ich mache mich daran, das Essen vorzubereiten und kümmere mich um die lästigen Aufgaben im Haushalt. Ich spreche kein Wort mehr mit ihm. Beim Abendessen versucht Steffen die eisige Stimmung zu brechen.
»Wann fängst du mit deiner Reha an? Du solltest nicht zu lange warten, sonst bleibt deine Schulter steif.«
»Ich vertraue meinen Ärzten. Also mach du dir keinen Kopf über meine Genesung.« Ich bin empört über die unfreundliche Reaktion meines Mannes. So geht es mit seinen Launen nicht weiter. Mit der harten Tour bin ich am Mittag gescheitert. Ich nehme mir vor, es auf die milde Art zu versuchen. Im Bett mache ich einen neuen Versuch.
»Was bedrückt dich? Du bist total verändert! Ich kenne dich so nicht. Kann ich etwas tun, damit du wieder so wirst wie früher?«
»Du kannst mich morgen früh mit in den Ort nehmen. Ich werde hier verrückt. Seit Wochen habe ich das Haus nicht verlassen.« Ich bin froh, endlich eine mehrsilbige Antwort zu erhalten und schmiege meinen Kopf an seinen gesunden Arm. Doch dabei bleibt es auch.
Tobias setzt sich auf den Beifahrersitz und wartet auf den Rest der Fahrgemeinschaft. Ich nehme die Kurven wie gewohnt und bemerke nicht, dass meine rasante Fahrweise bei meinem Mann Schmerzen auslöst. Ich öffne das Geschäft und arbeite routinemäßig meine Termine mit Steffen ab. Tobias sitzt auf der Außenterrasse bei René und liest die Zeitung. Sarah bemerkt ihn und setzt sich mit zwei Tassen Kaffee zu ihm an den Tisch. Sie erkundigt sich nach seinem Gesundheitszustand. Seine emotionslosen Antworten machen ihr sofort klar, dass ihn etwas bedrückt.
»Ist es, weil Steffen bei euch wohnt?«
»Wir führen doch schon seit Jahren eine Ehe zu dritt. Ich reiche Marie scheinbar nicht. Er steht ständig auf der Matte. Nach all den Jahren hat sie noch immer nicht den Absprung geschafft. Guck sie dir an, wie vertraut und fröhlich sie mit einander umgehen. Sehen so Geschiedene aus?«
»Er hilft ihr doch nur. Dafür sind Freunde doch da.«
Ich bin schon mehr als eine halbe Stunde im Bad und hübsche mich auf. Ich freue mich auf den ersten Abend, den wir zu Benjamins Musik im Lokal verbringen wollen.
»Das Bad ist wieder frei«, rufe ich Tobias zu. Er macht keine Anstalten, sich fertig zu machen. Energisch trete ich auf die Terrasse und frage, ob er überhaupt mitkommen will.
»Ich habe Schmerzen!«
»Dann nimm eine Tablette! Sonst nehme ich sie. Deine dauerhafte schlechte Laune bereitet mir nämlich Kopfschmerzen.« Natascha klingelt. Sie ist zum Aufpassen der Kleinen eingeplant.
»Dein Bruder spielt heute wieder den sterbenden Schwan. Ich weiß gar nicht, ob deine Hilfe überhaupt nötig ist. Wenn er wieder wie ein Eremit zu Hause bleiben will, kannst du lieber mit mir kommen. Frage ihn selbst. Mit mir spricht er nicht!« Er spricht mit ihr und begibt sich unter die Dusche. Eine halbe Stunde später fahren wir in den Ort.
Er begleitet mich, anders als von mir vorgeschlagen, zunächst ins SPA. Steffen hat seine letzte Behandlung noch nicht abgeschlossen und ich mache Kasse, als sein Handy klingelt. Ungefragt geht Tobias ran.
»Guten Abend, Vera. Nein Steffen ist noch in der Anwendung. Sicher kannst du auch kommen. In unserem Haus ist doch genügend Platz. Du bist uns genauso willkommen wie Steffen auch!« Mit starrem Blick
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