Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Mandarinen und Nüssen beschenkt und ich werde gedrückt und geherzt. Tobias steckt sich einen Butten an die Jacke und sagt: »Ja, Madame, ich bin wirklich sehr stolz auf meine Frau.«
Ich sitze in der Küche und schreibe eine lange Einkaufsliste. Clara durchsucht Kartons mit Weihnachtsschmuck und Tobias telefoniert mit seinem Vater.
»Nein, Vadim Sidorow Limited. Siegfried, Ida, Dora, Otto, Richard, Otto, Wilhelm. Sidorow!«, höre ich ihn sagen. Meinen fragenden Blick beantwortet er, nachdem er aufgelegt hat.
»Paul hat noch immer gute Kontakte nach Russland. Er will Vadim mal genauer durchleuchten lassen. Schaden kann es doch nicht.« Mit so viel Zuspruch und Beistand fühle ich mich wieder sicher und stark. Meine trüben Gedanken und die Absicht mein Zuhause aufzugeben sind verschwunden.
»Wir werden uns hier nicht vertreiben lassen. Das haben schon ganz Andere versucht.«
Clara erhält ihre erste Klavierstunde vom Vater und ich verdrücke mich nach wenigen Minuten mit Balou in den Garten. Aus Tanne, Pinien und Kieferzweigen wickel ich Kränze und Girlanden, die das Haus innen und außen weihnachtlich schmücken sollen. Durch das Fenster beobachte ich Tobias, wie er telefoniert. Mit einer freien Hand winkt er mich ins Haus.
»Wir brauchen ein Foto von Vadim. Ich werde gleich zu Claire in den Salon fahren und mir die Haare schneiden lassen. Sie hat ihn um drei Uhr unter dem Vorwand zu sich bestellt, mit ihm nachverhandeln zu wollen. Ich schicke dir eine SMS. Gleich danach musst du mich anrufen. Ich werde deinen Anruf wegdrücken und stattdessen ein Foto von ihm machen.« Er nimmt seine Jacke und fährt davon. Gespannt warte ich auf meinen Einsatz. Ich starre zwanzig Minuten lang auf das Telefon bis endlich die erwartete Kurzmitteilung eintrifft und wähle Tobis Nummer. Die nachfolgende Stunde will nicht vergehen. Ich bin schon versucht, in den Ort zu fahren, als ich seinen Mercedes kommen sehe.
»Er hat nichts gemerkt. Die Fotos sind gut geworden. Ich habe sie bereits an Paul weitergeschickt.«
»Warum hat es so lange gedauert. Ich bin fast verrückt geworden.«
»Ein guter Haarschnitt dauert«, lacht Tobi. Er hat der Mission Vadim seine schönen Locken geopfert.
Unser Haus füllt sich zum ersten Advent. Neben Freunden aus dem Ort sind auch Timo und Christina zu Gast.
»Ich hatte meiner Frau schon eine Nacht auf eurem Boot versprochen. Nur für den Fall, dass ihr unseren Besuch wieder vergessen hättet.« Er hat gute Nachrichten im Gepäck, die er allerdings im Beisein der vielen Fremden nicht Preis geben will. Erst nach dem Abendessen rückt er mit der Sprache heraus.
»Dieser Vadim ist in Moskau kein unbeschriebenes Blatt. Er wird von den Behörden wegen Steuerhinterziehung, Korruption und weiterer Delikte gesucht. Marie, du wirst zum Schein auf sein Kaufangebot eingehen. Aber halte dich zurück. Tobias und ich werden das allein regeln.« Die Brüder erheben sich vom Tisch und gehen ins Musikzimmer, um ihre Vorgehensweise zu besprechen. Ich schaue meine Schwägerin verdutzt an. Christina hat auch keinen Schimmer, wie genau der Plan ablaufen soll. Sie ist deutlich gelassener als ich, denn sie ist es gewohnt, dass Timo die Sachen in die Hand nimmt.
»Sei ganz beruhigt. Die Männer machen das schon. Zeig du mir doch jetzt mal deine Mató Kleider. Hast du noch eins für mich in meiner Größe?« Ich habe weniger Lust auf Frauengespräche. Aber ich bin eine gute Gastgeberin und kann Christina den Wunsch nicht abschlagen. Im Bett befrage ich Tobi nach den genauen Einzelheiten. Er will am nächsten Morgen mit seinem Bruder Vadim aufsuchen und ihm erklären, dass der Ärger ein Ende haben muss. Nach zähen Verhandlungen wollen sie seinem Kaufangebot zustimmen und in seinem Beisein einen Termin zur notariellen Beurkundung verabreden.
»Und dann?«
»Und dann sehen wir weiter!« Tobias lässt mich im Unklaren. Da helfen auch meine eindeutigen Bestechungsversuche nichts. Agent Tobi bleibt hart.
Während die Brüder sich gemeinsam auf die Suche nach Vadim machen, habe ich die Aufgabe, meiner Schwägerin den Ort, den Strand, das neue SPA und das Boot zu zeigen. Christina ist begeistert. Sie findet die Côte selbst im Winter viel schöner als den Genfer See.
»Paul möchte uns gern in seiner Nähe haben. Für Marita hat er bereits ein Haus gefunden. Aber ich würde gern etwas mehr auf Abstand gehen. Paul hatte Timo nun zwanzig Jahre für
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