Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
meinst du mit sauber? Nun lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!«
»Hat es dir mit Vadim noch nicht gereicht? Möchtest du dich künftig ständig mit diesen Typen herumschlagen? Ist es das Milieu, in dem du dich aufhalten willst? Wenn ja, was sagt Tobi dazu?«
»Vadim ist weg!«
»Aber seine Kassierer und seine Schlägertrupps sind immer noch da.«
»Du redest von Schutzgeld? René, mich hat hier in all den Jahren noch niemand bedrängt.«
»Ich habe ja auch immer brav für deine Eins mit bezahlt. Marie, glaub mir, Vadim wird sich jeden einzelnen Euro von dir wiederholen. Ich habe das jetzt zwei Jahre lang mitgemacht und siehst ja, wohin es mich geführt hat.« Wortlos gehe ich in die Eins. Claire öffnet gerade ihren Salon und ruft mir freudig zu: »Danke für den schönen Sonntag.« Ob Claire wohl Schutzgeld bezahlt? Ich warte auf Jean und fahre nach seinem Eintreffen sofort nach Hause. Während ich das restliche Geschirr vom Vortag abwasche, denke ich über die eindringliche Warnung nach. Es ist nicht meine Art, mich einschüchtern zu lassen. Den Erpressern mein Revier kampflos zu überlassen, widerstrebt mir auch. Aber letztendlich komme ich zu dem Entschluss, kein Risiko einzugehen. Tobias lacht laut über meinen Bericht.
»René ist ganz schön gewieft. Er wusste, dass er dir sein Geschäft nur zum Freundschaftspreis verkaufen kann. Da hat er mal kurz in die Märchenkiste gegriffen. Ich bin nicht traurig darüber. Mir ist es ohnehin lieber, dass du dich nicht überforderst. Aber die Geschichte mit der Schutzgelderpressung ist schon ein starkes Stück.« Ich weiß nicht mehr, wem ich nun glauben soll.
Seitdem die Eins für die Wintermonate geschlossen ist, fahre ich nur noch selten in den Ort. Ohne Renés Lokal gibt es keinen festen Treffpunkt mehr. Viele Residenten reisen ab. Die wenigen bekannten Gesichter treffe ich im Supermarkt.
»Der Ort hat den Charme einer Geisterstadt«, schimpfe ich während der Autofahrt nach Port Grimaud. Tobias zeigt mir die Fortschritte in dem neuen SPA und ich nicke nur teilnahmslos. Er befürchtet, dass ich wieder auf eine Winterdepression zusteuere. Seitdem René ohne ein Wort des Abschieds verschwand, bin ich latent niedergeschlagen. Selbst der Besuch von Sarah kann mich nicht aufmuntern. Erst die Nachricht, die Claire am Abend überbringt, löst erkennbare Emotionen aus.
»Hast du auch ein Kaufangebot von Vadim bekommen? Er war heute persönlich bei mir im Salon. Das René soll im Frühjahr eine Tanzbar werden. Er will das Lokal vergrößern. Das geht doch nur, wenn er auch deinen Mittelteil dazu bekommt.«
»René hat tatsächlich an den Russen verkauft? Diese Ratte! Und was hast du ihm geantwortet?«
»Dass ich mir sein Angebot gut überlegen werde. Er war nicht knauserig und es reizt mich schon.« Ich bin stink sauer. Diesen Verrat werde ich René nie verzeihen. Die Vorstellung, künftig mein SPA neben einer Table Dance Bar betreiben zu müssen, lässt in mir die Wut hoch kochen. Aber ich bin mir sicher. Putin wird meine Eins nie und nimmer bekommen.« Tobias sieht es lockerer.
»Du suchst doch schon seit einem Jahr einen Käufer. Willst du immer noch darauf warten, dass Jean im Lotto gewinnt? Warte doch erst einmal ab, welches Angebot er dir macht. Dann kannst du dich doch immer noch aufregen.«
»Und welchen Plan verfolgst Du? Ich gebe die Eins auf und kümmere mich um den Haushalt, während du ein Mató nach dem anderen eröffnest? Von diesem Déjà Vue wird mir gerade spei übel. Es stinkt nach Gülle und Heidschnucken. Riechst du es auch, Tobi?«
Mit einem fast leeren Lederkoffer fahre ich nach Saint Tropez. Die Maklerin begrüßt mich freundlich und führt mich in einen der hinteren Büroräume. Nach wenigen Minuten verlasse ich das Immobilienbüro mit einem prall gefüllten Lederkoffer. Der Weg führt mich zur Bank. Das Schließfach ist der richtige Aufbewahrungsort für meine Provision und meinen Turniergewinn. Ich steuere meine Ente an der Küstenstraße entlang und halte direkt vor der Eins. Die ersten Arbeiter sind mit dem Abriss der Terrasse beschäftigt. Die Überdachung und die Rollladen ragen schon aus einem großen Bauschuttcontainer. Ich öffne die Tür zu zum SPA und sehe auf dem Boden zahlreiche Briefumschläge liegen. Alle tragen den Absender von der Vadim Sidorow Limited. Ich greife meinen dunkelroten Lippenstift aus der Handtasche. In Spiegelschrift schreibe ich auf
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