Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
was hältst du von dieser Idee?«
»Seit wann bist du schon wach?« Mit geschlossenen Augen setzt er sich neben mich auf die Stuhlkante. Im Halbschlaf lässt er meinen enthusiastischen Redeschwall über kleine Leckereien, exotische Delikatessen und regionale Spezialitäten über sich ergehen. Um diese Zeit steht ihm nicht der Sinn nach Essen, sondern nach Schlafen, mindestens noch zwei Stunden. Es ist schließlich Sonntag. Einer der letzten freien Sonntage vor der Eröffnung. Die vergangenen Wochen hat er mit Hochdruck an der Renovierung des neuen Ladenlokals und den darüber liegenden Wohnungen gearbeitet. Jetzt braucht er dringend eine kleine Ruhepause.
»Was sagst du?«
»Lecker! Aber nun komm wieder mit ins Bett!« Er nimmt meine Hand und zieht mich zurück ins Schlafzimmer. Mit einem leisen Grunzen schmiegt er sich an meinen Arm und nickt wieder ein.
»René hatte immer wechselnde Tagesgerichte im Angebot. Plat du jour, erinnerst du dich? Diese Mahlzeit nahmen auch alle Mitarbeiter vor der Abendschicht gemeinsam mit den Musikern ein. Das war ein schöner Brauch. Das möchte ich auch gern so machen. Was meinst du?« Tobias öffnet die Augen nur einen winzigen Spalt und blinzelt. Ich habe mich zwischenzeitlich auf seinen Bauch gesetzt und rede unentwegt auf ihn ein. Er schüttelt resigniert den Kopf, muss dann aber doch über meinen frühmorgendlichen Elan schmunzeln. Sein kurzes Lächeln wird sofort mit einem Kuss belohnt. Als seine Hände meinen Po fest umgreifen und er weitere Küsse einfordert, finde ich auch, dass die Speisekarte ruhig noch länger warten kann und ich halte endlich die Klappe.
Der Sonntag ist Familientag. Daran soll auch das neue Geschäft künftig nichts ändern. Ich verspreche es Mann und Tochter hoch und heilig. Wie ich das alles bewältigen will, ist ihm jedoch ein Rätsel. Die Leitung ist von einer Person allein, unmöglich zu leisten. Wenn die bisherigen Öffnungszeiten übernommen werden, wird das Lokal an sieben Tagen die Woche von sechs Uhr morgens bis nach Mitternacht geöffnet sein.
Sarah hat sich zum Nachmittagskaffee angekündigt und versprochen einen selbstgebackenen Kuchen mitzubringen. Ihr Klingeln macht Claras Fingerübungen am Steinway Flügel endlich ein Ende. Ich lausche der Tonleiter bereits eine geschlagene Stunde und mir dröhnt der Kopf. Auch Hund Balou bedankt sich für das Ende der täglichen Übungsstunde mit freudigem Schwanzwedeln.
»Es ist ein Gugelhupf geworden.«
»Mit Rum Rosinen?«
»Auf ausdrücklichen Wunsch deines Mannes habe ich ihn mit Schokoplätzchen gebacken.« Enttäuscht nehme ich ihr den Topfkuchen ab und bringe ihn in die Küche.
»Kommt Claire noch nach?«
»Sie hält noch bis 20 Uhr den Salon geöffnet, obwohl heute kein Mensch mehr zum Haareschneiden kommt. Bestimmt hat sie dann den ganzen Abend wieder schlechte Laune. Ich kann den Start der Saison kaum erwarten. Wenn ihr endlich eröffnet, läuft auch ihr Geschäft wieder an. Dann ist meine Liebste hoffentlich nicht mehr so missgestimmt.« Sarah lobt den Baufortschritt im Bistro. Die Sitzmöbel, die Tobias und ich ausgesucht haben, finden ihre besondere Anerkennung. Sie ist der Meinung, dass eigentlich schon alles fix und fertig aussieht und kann nicht verstehen, warum wir bis Mitte März mit der Eröffnung warten wollen.
»Die Zeit brauchen wir noch, um das Personal zusammen zu bekommen.«
»Übernimmst du nicht Renés Belegschaft?«
»Doch natürlich. Die, die noch übrig sind. Aber die Position des Küchenchefs muss ich neu besetzen. Das bereitet mir das größte Kopfzerbrechen. Finde mal einen Koch, der René das Wasser reichen kann.« Tobias rollt mit den Augen. Er hört es nicht gern, wenn ich so bewundernd von ihm spreche. Zwar weiß er genau, dass uns nur Freundschaft verbindet. Trotzdem ist er ein wenig eifersüchtig auf den Franzosen. Aber nicht nur auf ihn. Jeder Mann, der mir näher als zwei Meter kommt, wird mit bösen Blicken bestraft.
»Morgen früh, stellen sich die Ersten vor. Mal sehen, vielleicht klappt es ja und mein Maître ist schon dabei.«
Die drei kleinen Appartements im ersten Stock sind bezugsfertig. Die Einzimmerwohnung am Ende des Flurs haben wir für uns privat eingerichtet. Dort entstand ein Rückzugsort für die Familie, wenn nicht genügend Zeit sein sollte, nach Hause zu fahren. Die anderen beiden Studios sind für die Musiker bestimmt, die an den Wochenenden und Feiertagen
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