Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
schöne Franzose ist Single und ein charmanter Mann in ihrem Alter. Ich kenne ihn aus dem Bürgerverein und weiß, dass er begeisterter Motorradfahrer ist. Er liebt nicht nur schnelle Zweiräder, sondern besitzt auch ein eigenes Motorboot. Und so wie es aussieht, hat er auch eine Vorliebe für Frauen, die rasant zur Sache gehen.
»Wie sehe ich aus?«, fragt Christina. Sie trägt ein enges, ärmelloses, schwarzes Kleid. In Sachen Schmuck wird sie wieder rückfällig und Sarah muss ihr zwei Ketten und die zahlreichen Armreifen abnehmen. Claire föhnt ihr die Haare und legt ein zartes Make Up auf ihr Gesicht. Zufrieden mustert sie sich im großen Spiegel und geht zurück ins Bistro. Sie stellt ein Reservierungsschild auf einen Zweiertisch und gibt dem Kellner dreihundert Euro in bar.
»Wenn es nicht ausreicht, dann ziehe den Rest von der Kreditkarte meines Alten ein. Ich will es heute krachen lassen.« Timo sollte noch bluten. Christina bestellt nur vom Feinsten. Immer wieder hört man sie laut lachen. Ihr Mann, der am Familientisch das Spektakel beobachtet, spielt den Unbeeindruckten. Sein Gesichtsausdruck ändert sich allerdings schlagartig, als sie ruft: »Was heißt auf Französisch, ich bin getrennt lebend.« Ich übersetze meiner Schwägerin wunschgemäß und kann mir das Grinsen in Richtung Timo nicht verkneifen. Als Lemercier sich auch noch als ausgezeichneter Tänzer präsentiert, reicht es ihm. Er verlässt den Tisch mit der Bemerkung: »Ich gehe mir in der Bar Tabac Zigaretten kaufen.« Als er nach zehn Minuten zurück kommt, hat sich der Familientisch aufgelöst. Auch seine flirtende Frau ist nicht mehr auf der Tanzfläche.
»Wo sind denn alle hin?«
»Vielleicht noch auf einen Abendspaziergang?« Timo trinkt sein Glas aus und verabschiedet sich ins Bett, das er sich erstmals mit Steffen teilen soll. Er geht den Flur entlang und horcht an der Tür der neuen Frauen WG. Die Geräusche, die er aus dem Appartement eins wahrnimmt, versetzen ihm einen Schlag. Das leidenschaftliche Stöhnen einer Frauenstimme macht ihn fassungslos.
»Schlampe«, ruft er laut aus. Völlig aufgebracht packt er seine Sachen in den Koffer und nimmt sich ein Zimmer im benachbarten Hotel de la Poste. Tobias stellt die Stühle an die Tische und ich lösche das Licht in der Küche, als sich Christina von ihrem Franzosen auf dem Bürgersteig verabschiedet.
»Ja, sehr gerne. Also bis Morgen.«
Auf dem Flur der ersten Etage herrscht reger Verkehr. Steffen bringt seine Sachen wieder zu Sophie und Christina richtete sich in ihrem alten Appartement ein, das sie nun allein bewohnt. Mit der festen Absicht, seine Frau zur Rede zu stellen, kommt Timo um zehn Uhr ins Bistro. Er sieht sie gerade noch auf dem Rücksitz eines Motorrades abfahren.
»Nun seht euch das an! Sie hat sich tatsächlich mit diesem Kerl eingelassen. Gleich am ersten Abend hat sie mit ihm rumgemacht. Ich habe es mit eigenen Ohren gehört.«
»Hoffe nicht auf unser Mitgefühl!«, sage ich und lasse ihn stehen. Beleidigt geht er mit einer Zeitung auf die Terrasse und wartet auf die Rückkehr seiner schamlosen Frau.
»Gehört hat er Sophie und Steffen. Aber lass ihn bitte in dem Glauben. Es geschieht ihm recht!« Tobias verspricht, nicht zu petzen.
Lemercier wird zum Dauergast und Timo verliert das Interesse an Süßspeisen und der Frau, die sie zubereitet. Er trinkt schon am Morgen literweise Rotwein und ist mittags bereits Sternhagel voll. In dieser Stimmung jammert er seinem Bruder und Steffen die Ohren voll. Die Männer bringen ihn regelmäßig zurück ins Hotel. Nach drei Stunden Schlaf wiederholt sich das Schauspiel. Steffen nutzt einen halbwegs nüchternen Moment aus und redet ihm ins Gewissen.
»Es wird dir nichts nützen, dich ständig zu besaufen. Damit gewinnst du sie sicherlich nicht zurück. Reiß dich zusammen und rede endlich mit ihr.«
»Sie wird meine Entschuldigung nicht annehmen. Diesmal habe ich den Bogen wohl überspannt.« Er rät ihm, die Familienkarte auszuspielen. Das hatte bei ihm und mir früher auch geklappt. Guten Mutes macht er sich auf die Suche nach seiner Frau.
»Die Kinder fragen, ob wir die Enkel in der nächsten Woche nehmen könnten. Ich habe zugesagt.«
»Na, dann wünsche ich dir viel Spaß. Gebe den Kleinen einen Kuss von mir. Ich bleibe noch. Ich habe eine Einladung zum Speedboat Rennen. Darauf werde ich auf keinen Fall verzichten.«
»Du willst
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