Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
an zu lachen.
»Dann schreib mal auf. Sofort nach der Landung in Berlin eine neue Brille für dich kaufen! Das Teil auf deiner Nase ist ja zum Fürchten. Die geht ja gar nicht. Aus welchem Jahrtausend ist die denn? Ich hab noch nie eine so hässliche Brille gesehen.« Wir lachen uns kaputt und quietschen so laut, dass alle Reisenden an den Nebentischen zu uns rüber sehen.
»Morgen steht in der Bildzeitung, Sarah Riess wegen Geschmacksverirrung am Hamburger Flughafen verhaftet. Setz das Ding endlich ab, sonst mach ich mir gleich in die Hose vor Lachen.«
»Ohne Brille, bin ich blind wie ein Maulwurf.« Sarah nimmt die Augengläser ab und ich führe die blinde Moderatorin zum Gate. Der Flieger ist fast voll und es sind keine zwei nebeneinander liegende Sitzplätze mehr frei. Frech beuge ich mich über einen graumelierten Herrn im feinen Anzug und spreche ihn im Flüsterton an.
»Reisen Sie allein, mein Herr?« Er nickt entzückt und freut sich über den unerwarteten Annäherungsversuch.
»Dann haben Sie bestimmt nichts dagegen, wenn Sie den Platz vor uns nehmen. So kann ich während des Fluges neben meiner Freundin sitzen. Sie sind ein Schatz. Vielen Dank.« Ungern kommt er meiner Aufforderung nach. Wir Frauen kichern noch, als der Flieger startet.
»Jetzt habe ich gar nichts zum Kauen dabei. Ich brauche während des Fluges immer etwas für den Druckausgleich. Hast du Kaugummi?« Ich sehe in meiner Handtasche nach und kann eine Tüte Lakritz Schnecken anbieten. Als das Zeichen zum Abschnallen erfolgt, beobachte ich, wie Sarah verzweifelt versucht, eine lange, schwarze Schnur in den Mund zu stecken.
»Halt! Das ist keine Lakritze, die du da kaust. Das ist die Schnur vom Kopfhörer, du Blindfisch.« Ich schreie vor Lachen das halbe Flugzeug zusammen. »Hauptsache, du hast dir die Lakritze nicht ins Ohr gesteckt, damit hättest du nämlich keinen guten Empfang.« Ich trommel laut kreischend gegen meinen Vordersitz. Der grau melierte Herr, bedauert es erneut, mir albernen Person seinen Platz überlassen zu haben.
Die Studios liegen außerhalb von Berlin. Wir brauchen uns kein Taxi zu nehmen, denn wir werden vom Fahrdienst des Senders persönlich abgeholt. Meine Aufregung nimmt mit jedem Meter zu. Ich bin es zwar gewohnt, Reden vor einer Gruppe zu halten, das habe ich auf Messen und Verbandstagungen schon häufig gemacht. Die Vorstellung, es vor der Kamera zu tun, flößt mir jedoch enormen Respekt ein.
»Denk nur daran, nicht so schnell zu sprechen. Ihr Norddeutschen seid immer so fix. Du brauchst nur auf das rote Lämpchen zu achten. Stell dir vor, die Kamera wäre ein Gesicht. Ich werde versuchen, mich dahinter zu stellen und dann siehst du nur in meine Richtung.«
»Wo wird denn eigentlich der Koks ausgegeben?« Der junge albanische Fahrer versteht die Frage nicht und kann deshalb auch nicht über den Witz lachen. Sarah und ich schon.
»Auf dem Bildschirm sieht man immer fünf Kilo dicker aus, als man in Wirklichkeit ist.«.
»Jetzt kommst du mir mit deinen Weisheiten. Warum hast du mir das nicht früher gesagt, dann hätte ich doch eine Diät machen können.« Kritisch prüfe ich meinen kleinen Bauchansatz.
»Nicht nötig. Lass dir doch etwas aus der Fett-Weg-Unterwäsche Kollektion geben.«
»Bloß nicht. Ich hab doch jetzt schon Atemprobleme.« Es ist nicht zu übersehen. Ich habe die Hosen voll.
»Hier geht es zur Maske. Wir treffen uns in einer halben Stunde in Studio eins. Bitte kommen Sie ganz leise herein und sprechen Sie nicht. Hier wird pausenlos live gedreht. Frau Schäfermann kommt auch gleich zu Ihnen«, sagt der hektische Aufnahmeleiter und überlässt mich meinem Schicksal.
»Casting?«, lautet die einsilbige Frage von Christa. Die kleine Maskenbildnerin wartet auf eine Antwort. Ich nicke schüchtern.
»Haushalt oder Beauty?«
»Beauty«, antworte ich brav und frage, worin der Unterschied besteht.
»Na, Sie sind ja gut. Dazwischen liegen ungefähr drei Kilo mehr Schminke.« Nach einer viertel Stunde erkenne ich mich nicht wieder. Mein Gesicht gleicht einer Puppe aus Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett. Nun ist mir klar, warum es Maske heißt. Ich versuche erfolglos Grimassen vor dem Spiegel zu schneiden. Als Christa die falschen Wimpern in die Hand nimmt, will ich eingreifen, aber Christa ist stärker. Ich wünschte mir, ich hätte »Haushalt« gewählt, aber nun ist es dafür zu spät. Frau
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