Ausgefressen
einen Dieselmotor stecken?
»Was hatten
wir
denn vor?«, fragt Giacomo, und obwohl mir gerade die Pfote abstirbt, stellt sich das Gefühl ein, dass etwas an dieser Frage nicht stimmt.
»Was
du
vorhattest, weiß ich nicht«, zische ich. »Und was den Rest von uns beiden betrifft: Das geht nur Elsa und mich etwas an.«
Er verlagert sein Gewicht nach vorne, und ich verabschiede mich im Geiste von einem halben Vorderbein. »Nichts«, sagt er gedehnt, und langsam geht mir ein Licht auf, was hier nicht stimmt, »nichts, was in diesem Käfig geschieht, geht nur Elsa etwas an.«
»Sag ich ja«, entgegne ich, »es geht nur Elsa
und mich
etwas an.«
Inzwischen kauert Giacomo auf meinem Vorderbein, als wolle er es ausbrüten. Was soll’s, denke ich. Elsa ein halbes Bein zu opfern erscheint mir spärlich bemessen.
»Hör zu, Mister Caterpillar«, stöhne ich, »ich hab nicht vor, dir die Suppe zu versalzen. Ich wollte mich nur – aargh, kannst du das mal lassen, bitte? – von Elsa verabschieden.«
Seine tonnenschwere Stirnwulst schiebt sich nach oben. Und siehe da: Da sind tatsächlich Augen drunter verborgen.
»Ich werde gehen«, erkläre ich, »den Zoo verlassen. Und ich werde nicht zurückkommen.«
Giacomo überlegt. Ich sollte ihn mal mit Rocky bekannt machen. Die beiden würden sich prächtig verstehen. »Sie schläft«, stellt er fest.
»Weshalb hätte ich sonst versuchen sollen, sie zu wecken?«
»Sie wird nicht geweckt«, entscheidet Giacomo.
»Okay, Mann, ist angekommen.« Ich gebe es auf. Am Ende ist sowieso jeder mit sich allein. »Sag ihr einfach, dass ich da war und nicht mehr wiederkommen werde. Und dass ich ihr alles Gute wünsche. Kriegst du das hin?«
»Werd’s mir überlegen«, antwortet Giacomo nebulös.
Und nur, um mir zu zeigen, dass er im wahrsten Sinne des Wortes noch
viel
mehr drauf hat, lehnt er sich mit seinem gesamten Gewicht auf mein Vorderbein, so dass meine Knochen praktisch zu Mehl zerrieben werden. Als er es schließlich freigibt und ich den Felllappen mit der Klaue vorne dran aus dem Gehege ziehe, weiß ich endlich, was hier nicht stimmt. Sein Akzent: weg. Der Typ spricht, na ja, Hochdeutsch würde ich es nicht nennen. Aber auf jeden Fall kein Italienisch.
»Wie heißt du eigentlich mit bürgerlichem Namen?«, frage ich.
Da sind nicht nur Augen unter seinen Fellbeuteln, sie können auch noch aufblitzen.
»Weiß Elsa«, fahre ich fort, »dass diese ganze Giacomo-Nummer nur Show ist?«
Es ist erstaunlich, wirklich erstaunlich, wie schnell er sich bewegen kann, wenn es darauf ankommt. Aber natürlich nicht halb so schnell wie ich. Da hockt er jetzt, fett und feist, und umklammert die Gitterstäbe. Seine Bauchringe überlappen sich.
»Wann hast du eigentlich das letzte Mal deinen Schwanz gesehen?«, frage ich.
Vor Wut presst sich sein Bauchspeck durch die Stäbe. Ich spreize zwei Krallen ab, deute erst auf meine Augen, dann auf seine: Wir sehen uns.
»Mach’s gut –
Giacomo
.«
Kapitel 11
Ich verlasse den Bau im ersten Licht des Tages – bevor eins meiner Geschwister Gelegenheit hat, mir zu sagen, dass eigentlich
ich
der neue Clanchef hätte werden sollen, aber dass ich es nicht so schwer nehmen solle, weil doch schließlich jeder Tag ein neuer Anfang sei. Ich will mich nicht verabschieden, von niemandem. Und wenn es auf dieser Welt irgendetwas gibt, das geeignet wäre, mich heute Morgen noch zusätzlich zu deprimieren, dann das Mitleid meiner bekloppten Geschwister.
Die ganze Nacht über habe ich kein Auge zugetan. Was weniger an meiner tragisch zu nennenden Verfassung lag als an unserem neuen Anführer und seiner Gemahlin. Die Ernennung zum Clanchef scheint Rocky das letzte bisschen Resthirn aus dem Schädel geblasen zu haben. So jedenfalls würde ich es bezeichnen. Rufus nennt es Hybris. Doch wie man es nennt, ist belanglos, gemeint ist: Hormonchaos im Kopf.
Kaum hatte Pa seinem Erstgeborenen gestern Abend in der rituellen Zeremonie den geheiligten Stab überreicht und so die Verantwortung für das Schicksal des Clans symbolisch auf Rocky übertragen, war in dessen Kopf nur noch Platz für einen Gedanken: Ficken. Der geheiligte Stab ist übrigens ein knorriges Stück Wurzelholz, das Chester, unser sagenhafter Stammesvater, aus der Savanne gerettet haben soll. Die Legende will es, dass er es beim Auszug aus dem geheiligten Land aus dem Affenbrotbaum herausgenagt hat, in dem die Geister unseres Clans wohnten, und dass sie jetzt in diesem Stecken weiterleben. Ich
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