Ausgefressen
und im Gegensatz zu Phils Alkohol macht es nicht schwermütig, sondern lustig. Außerdem prickelt es im Bauch.
»Wo hast du DEN denn aufgegabelt?«, höre ich eine Stimme sagen.
Ich bin noch damit beschäftigt, mich zunehmend für Schampus und Jazz zu begeistern. Beides versetzt den Saal in einen angenehmen Groove. Leider kann ich die Band nicht sehen, weil zwei junge Gänse, die sich über Werbeshootings für Romantikhotels austauschen, mir die Sicht versperren.
»Darf ich vorstellen, das ist Ray«, höre ich Pussy sagen. Um nicht unhöflich zu erscheinen, drehe ich mich rasch zu ihr um.
»Freut mich«, sage ich und will die Musik loben, verstumme aber abrupt. Vor mir stehen zwei Chihuahuas mit hochtoupierten Haaren, goldenen Schleifen und dunkel nachgezogenen Augenrändern. Wenn ich mich nicht extrem beherrsche, dann muss ich jetzt gleich losprusten.
»Das sind Rico und Ronaldo«, sagt Pussy.
Ich stehe da und beherrsche mich.
»Und du bist also Ray«, sagt eines der Hündchen und mustert mich ausgiebig. Es scheint, als würde ihm etwas missfallen.
»Sitzt mein Fell nicht richtig?«, frage ich.
Pussy verkneift sich ein Lachen, Rico und Ronaldo sehen mich reglos an.
»Schon okay«, erwidert das andere Hündchen spitz. »Ich dachte nur nicht, dass Fell pur in Gesellschaft schon wieder tragbar ist.«
Rico und Ronaldo werfen sich zufriedene Blicke zu. Ich habe von Mode keine Ahnung und schweige deshalb.
»Ich habe Ray eben erst getroffen«, erklärt Pussy entschuldigend. »Er hatte überhaupt keine Zeit, sich was Passendes anzuziehen.«
Die Hündchen nicken herablassend, was mich ärgert.
»Ich hätte mir aber auch mit genügend Zeit keine goldene Schleife umgebunden«, ergänze ich freundlich.
»Kann es sein, dass du ein Problem mit Avantgarde hast?«, fragt eines der Hündchen pikiert.
»Überhaupt nicht«, erwidere ich, was schon deshalb stimmt, weil ich gar nicht weiß, was Avantgarde ist.
»Aber …?«, fragt das andere Hündchen mit süffisantem Lächeln.
»Aber ich mag es nicht, wenn mir zwei geschminkte Hunde sagen wollen, wie ich rumzulaufen habe«, rutscht es mir raus.
Schweigen.
Rico und Ronaldo rümpfen in Zeitlupe ihre Näschen. Dann nicken die beiden der erschrocken wirkenden Pussy zu, um sich im nächsten Moment synchron abzuwenden, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen.
»Spinnst du, Ray? Du musst hier höllisch aufpassen, mit wem du es dir verscherzt«, flüstert Pussy aufgeregt. »Rico und Ronaldo sind die angesagtesten Designer der Stadt. Wenn du bei denen unten durch bist, dann kannst du es dir abschminken, in der Modebranche Fuß zu fassen.«
»Du meinst, es besteht die Gefahr, dass ich doch kein Topmodel werde?«, frage ich.
Pussy nickt ernst. Dann schaut sie plötzlich an mir vorbei, legt den Kopf ein wenig schief und lächelt breit. »Da ist ja mein Verlobter Arty. Ich muss euch unbedingt miteinander bekannt machen. Lauf nicht weg, Ray!«
Mit diesen Worten verschwindet Pussy im Getümmel.
Ich überlege nicht lange und beginne, mich in Richtung Bühne durchzuarbeiten. Noch immer habe ich keinen Blick auf die Band erhaschen können. Auf dem Weg schnappe ich mir von einem der umherschwebenden Tabletts noch ein Glas Schampus. Man kann praktisch keine fünf Schritte gehen, ohne einer Ratte im Frack zu begegnen, die ein Tablett mit langstieligen Gläsern durch die Menge balanciert. Es wird mir ein großes Vergnügen sein, Rocky zu erzählen, dass die blutrünstigen Kanalratten, die ihn fast gekillt hätten, mir heute Nacht Schampus serviert haben. Wie ich am Rande erfahre, gibt es ganze Heerscharen von Ratten, die dem tristen Leben in der Kanalisation entfliehen wollen und sich deshalb als Köche, Kellner, Bodyguards oder Personal Trainer verdingen.
Als ich mich an zwei philosophierenden Dackeln vorbeigezwängt und endlich bis zur Bühne vorgearbeitet habe, sehe ich gerade noch, wie die Musiker zusammenpacken. Offenbar habe ich eine Konzertpause erwischt. Ein Stinktier mit blaugrüner Punkfrisur erklimmt die Bühne, um mit zwei iPhones psychedelische Musik zu machen. Magnus aus dem fünften Wurf hat mir das Stinktier mal im Internet gezeigt. Es nennt sich DJ Skunk und gilt als wichtigster Vertreter des sogenannten Animal-Psycho-Trance. Nicht mein Fall, aber offenbar erfolgreich.
Weil ich DJ Skunk beobachte, merke ich nicht, dass ich der Sängerin der Jazzband im Weg stehe.
»Sorry …?«
Mir stockt der Atem. Wüsste ich es nicht besser, würde ich glauben, Elsa
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