Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
sind nicht nur abhängig vom Know-how, das wir zusammen mit den Produktions-Jobs verloren haben, wir sind auch extrem abhängig vom Erdöl, auf dem die komplette monströse Logistik basiert, die die produktionskostengetriebene Globalisierung am Laufen hält. Sie können kein Post-Panamax-Containerschiff mit 7000 Containern mit Windstrom und Elektromotoren antreiben! Energie aus regenerativen Quellen ist nicht mobil, nicht speicherbar und nicht transportabel. Jedenfalls derzeit noch nicht, und darauf kommt es an.
Der einzige Grund, warum es möglich ist, dass Biokarotten aus Israel 2,09 Euro das Kilo kosten, ist die Tatsache, dass Transport und Logistik heute finanziell fast nicht ins Gewicht fallen. Ein Zwanzig-Fuß-Container von Schanghai nach Hamburg kostet nur wenige Hundert Dollar Fracht, das ist unglaublich. Rechnen Sie mal: In so einen kleinen Standardcontainer passen 20 000 aufwändig verpackte Uhren. Der dreiwöchige Transport über 20 000 Kilometer kostet damit pro Uhr nur ein paar Cent – während die Produktionskostenersparnis pro Stück gegenüber einer Herstellung in Europa in Dollar gerechnet wird. Übrigens ist es weitaus teurer, die Uhren von Hamburg nach München zu bringen als von Schanghai nach Hamburg. Der Containerschifftransport ist durch die riesigen Frachtmengen enorm effizient. Die über 200 Tonnen Öl, die diese Frachtschiffe pro Tag verbrennen, womit man ein modernes Niedrigenergiehaus locker 300 Jahre lang beheizen könnte, verteilen sich eben auf mehrere Tausend Container, sodass pro Container in den drei Wochen Schiffsreise »nur« ein paar Hundert Liter Öl verbraucht werden. Es rechnet sich also – unter den gegenwärtigen Bedingungen. Schon morgen kann alles anders sein.
Der Grundsatz der Nachhaltigkeit, den ich als Förster gelernt habe, lautet: Nutze eine Ressource so, dass du sie dauerhaft nutzen kannst. Wie aber nutzen wir die Ressource chinesische Arbeitskraft? Wie nutzen wir die Ressource Öl? Und wie sind wir mit unserer Ressource Produktions-Know-how umgegangen?
Andersrum: Was tun wir, wenn das Erdöl schnell sehr viel teurer wird? Das passiert gerade, es genügt ein Blick auf die Ölpreisentwicklung der letzten zehn Jahre. Was tun wir, wenn die Produktionsbedingungen in Fernost keinen Kostenvorteil mehr liefern? Auch das passiert gerade, die Preise steigen in China im Moment mit zweistelligen Prozentraten, Lebensmittel und Mieten sind dort für viele kaum mehr bezahlbar, der Druck auf Partei und Regierung, für einen Lohnanstieg zu sorgen, ist enorm. Was tun wir, wenn sich herausstellt, dass die Produktion in Indien nicht richtig funktioniert, weil die Qualitätsschwankungen riesig sind, was die Kunden natürlich nicht akzeptieren? Genau das passiert ebenfalls, es gibt immer mehr Unternehmen, die gerne die Produktion wieder nach Hause holen wollen, nachdem sie gemerkt haben, dass es viel anspruchsvoller ist, ein gutes Produkt herzustellen, als ursprünglich gedacht. Es ist ja schon enorm schwierig, als deutsches Unternehmen mit einer Produktion in Italien zurechtzukommen, weil selbst innerhalb der Europäischen Union die kulturellen Barrieren überraschend groß sind. China oder Indien liegen erst recht hinter fast unüberwindlichen Hochgebirgen.
Was also tun, wenn sich so langsam herauskristallisiert, dass die Globalisierung nichts weiter ist als der Zug der Lemminge, die in Richtung Klippe laufen?
Auf dem Papier ist die Verlagerung der Produktion eine klare Sache. Für die McKinseys dieser Welt lässt sich das wunderbar rechnen und darstellen, jede Bank lässt sich von den Charts leicht überzeugen: Kosten runter, Rendite rauf. Aber dass diese Rechnung auf Dauer nicht aufgeht, dafür werden wir noch zahlen. Oder unsere Kinder. Die Ressource Öl ist in Relation zu ihrer Endlichkeit und zu den nachgelagerten Kosten, die durch ihren Verbrauch entstehen, unverhältnismäßig, unverständlich, unmoralisch billig. Noch immer. Aber nicht mehr lange.
Und dann? Wollen wir dann ein Apfelbäumchen pflanzen?
Wer will denn diese Arbeit überhaupt noch machen?
Streuobstwiesen waren einmal eine intelligente Bewirtschaftungsform landwirtschaftlicher Flächen. Unter den hochstämmigen Obstsorten wuchsen Wiesen. Auf diese Weise wurde die Fläche doppelt genutzt, auf zwei Etagen sozusagen: Obst und Gras gleichzeitig. Das Gras als »Unternutzung« konnte man mähen und als Heu verfüttern, oder man konnte das Vieh direkt unter den Bäumen weiden lassen, die im Sommer sogar noch
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