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Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Titel: Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Burchardt
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geselliger – aber es wäre heutzutage wahrer Luxus. Früher war es das Normalste auf der Welt, heute musst du dafür schon ein extremer Individualist sein. So leben nur Spinner.
    Der Lebensertrag wäre bei einer aktiven Abendgestaltung viel höher, unbestritten, aber natürlich wäre auch die Investition in Zeit und Energie viel größer, um zu einem vollen Bauch zu kommen. Mal schnell auf dem Nachhauseweg rein in den Supermarkt, dann heim und vor die Glotze – das geht viel schneller und leichter, keine Frage. Das oberste Argument für den Supermarkt ist also sicher: Faulheit.
    Gegen das Argument mit der schlechten Qualität kommen, wenn man mit den Leuten redet, sofort die Konter: Aber Aldi hat doch super Qualität! Das Olivenöl ist doch eines der besten, hat die Stiftung Warentest festgestellt! Und warum soll ich für ein höchstens gleich gutes Öl im Feinkostladen das Doppelte bezahlen? Ich bin doch nicht blöd!
    Dabei ist Qualität einfach mehr als die Summe der Laborwerte! Ja, Aldi bietet in der Tat zeitweise ein sensorisch hervorragendes Olivenöl an. Und das zu einem super Preis. Aber haben Sie sich jemals gefragt, wie Aldi & Co. das hinkriegen? Die Discounter schaffen bei einigen strategischen Vorzeigeprodukten diesen unglaublichen Spagat zwischen materieller Qualität und Preis so: Mit einer riesigen Stückzahl. Mit einem extrem niedrigen Einkaufspreis. Mit einer dementsprechend brutalen Produktion. Mit einer dementsprechend schlechten Bezahlung von allen an Produktion und Vermarktung beteiligten Mitarbeitern. Mit null Herz für das Produkt und seine Herstellung. Mit Quersubvention durch andere Billigprodukte. Mit Etikettenschwindel (wenn beispielsweise thermisch behandeltes Öl, was mit den anerkannten Analyse- und Prüfmethoden nicht nachgewiesen werden kann, betrügerischerweise als »nativ« oder gar »extra nativ« verkauft wird).
    Dieter Brandes, ehemaliger Aldi-Geschäftsführer, beschrieb in seinem Buch
Konsequent einfach. Die Aldi-Erfolgsstory
ein Beispiel für die typischen Tricks mit den Produktbezeichnungen: Aldi verkaufte exklusiv Grand Marnier Cordon Jaune, alle anderen verkauften Grand Marnier Cordon Rouge. Für den Konsumenten kaum zu unterscheiden, sagt er selbst. Cordon Jaune kostete bei Aldi aber nur die Hälfte. Warum? Weil er nicht mit Cognac hergestellt wird, sondern mit Branntweinalkohol. So läuft das also. Und wer glaubt, das liefe nur bei Alkoholika so, der lebt auf einer rosa Wolke. Bei den Produktangaben geht es nicht um einen Qualitätsnachweis, sondern um juristisch unangreifbare Formeln, die maximalen Profit garantieren.
    Wenn man als Produkt nicht nur das chemisch und physisch Vorliegende, das im Labor mit den zufällig gerade geltenden Verfahren Messbare begreift, sondern die Rahmenbedingungen wie Energieverbrauch, Landverbrauch, Arbeitsbedingungen, Produktionsverfahren und eingesetzte Rohstoffe betrachtet, dann kann so ein Discounter-Billigolivenöl niemals ein Qualitätsprodukt sein, selbst wenn die Stiftung Warentest noch so oft zu anderen Ergebnissen kommt. Nie und nimmer. Ein kaltgepresstes, ungepanschtes, unverschnittenes, unbehandeltes, mit vielen natürlichen Polyphenolen ausgestattetes, frisches, ökologisch einwandfrei hergestelltes, fair bezogenes und geschmacklich hervorragendes Olivenöl ist für 3 Euro pro Halbliterflasche definitiv nicht machbar.
    Die Leute glauben tatsächlich, sie kauften gute Produkte. Und die cleveren Marketingleute in den Handelsketten erwecken auch gerne genau diesen Anschein. Aber in Wahrheit sind das nur gern geglaubte Absicherungsargumente und zweckrationalistische Selbstsuggestionen, um das tun zu können, was alle tun: das Risiko minimieren, Außenseiter zu sein.
    Dabei sein ist alles

    Wenn mehr als die Hälfte der Klassenkameraden einen Scout-Schulranzen haben, ist ein Schüler ohne Scout-Schulranzen in der Minderheit. Und das fühlt sich nicht gut an. Denn die Mehrheit bestärkt sich darin, die Minderheit mit abschätzigen Blicken und spitzen bis altklugen Bemerkungen und aufgeschnappten Werbeargumenten zu triezen. »Können sich deine Eltern keinen Scout für dich leisten?«, »Boah, Hendrik hat schon den ganz neuen Scout!«, »Deine Schultasche reflektiert ja gar nicht. Das ist im Dunkeln aber gar nicht sicher!« Die Mehrheit fühlt sich überlegen, nicht weil sie den besseren Ranzen hat, sondern weil sie eben mehr ist.
    Natürlich gibt es in unserer heutigen Gesellschaft, anders als etwa noch in den 50er Jahren, nicht

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