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Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Titel: Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Burchardt
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Hartz-IV-Empfängerin!« Als ob die über 90 Prozent der Bevölkerung, die zum Discounter gehen, allesamt arm und arbeitslos wären.
    Ich vermute hinter der hilflosen Aggressivität, mit der sich die Mehrheit gegen Argumente verteidigt, die ihren Lebensstil infrage stellen, eine große Unsicherheit und ein reales Bedürfnis: Wir wollen doch alles richtig machen! Das Risiko, falschzuliegen, ist eben sehr viel größer, wenn man nicht das tut, was alle tun. Im Mainstream ist man immer auf der sicheren Seite.
    Und willst du nicht, dann zwing ich dich!

    Frau Mustermann und Herr Normalverbraucher möchten auf jeden Fall gut dastehen. Die hohe Kunst des heutigen Konsums ist es, mit Billigprodukten den Schein zu wahren. Tchibo kann das zum Beispiel fast perfekt: billige Produkte, die fast so aussehen wie teurere Produkte vom Fachhändler, mit ganz viel Style und Chic zu verkaufen. Billig einkaufen will jeder, billig wirken will keiner.
    H&M beispielsweise, der natürliche Feind des Textileinzelhandels, präsentiert seine Billigmode mit edler Werbung, teuren Models und gerne im Zusammenhang mit großen Namen des Modedesigns. Die Mode ist extrem auf guten Look gepolt, völlig unabhängig von der Material- oder Verarbeitungsqualität. Bei den erfolgreichen Massenmarken sind heute Leute am Werk, die unglaublich gut wissen, wie die Produkte aussehen müssen, um hip zu sein.
    Bei den Lebensmitteln wissen die Produktdesigner längst, dass die Verpackungen und Etiketten bio und gesund aussehen müssen, um vom Publikum massenhaft akzeptiert zu werden. Die Produkte selbst müssen dann nur noch eine Voraussetzung erfüllen: Sie müssen billig sein.
    Ein weiterer Beleg für die Schein-statt-Sein-Kultur ist die unglaubliche Größe des Schattenmarkts von Fälschungen bei Lifestyle-Produkten. Ein großer Teil der Uhren, Taschen und Geldbeutel, die auf den Fußgängerzonen der europäischen Großstädte als Schichtenzugehörigkeitssysmbol spazieren getragen werden, stammt nicht von Louis Vuitton, Burberry oder Rolex, sondern vom »Looki-looki« an den Stränden der Urlaubsländer. Luxusmarken werden gefälscht ohne Ende. Warum? Weil das Zeugs gekauft wird ohne Ende. Warum? Weil den Zurschauträgern der Schein wichtiger ist als das Sein. Das Signal nach außen ist wichtiger als die eigene Beziehung zum Produkt. Man muss die Tasche nicht mögen, man muss auf die Uhr nicht stolz sein, sie muss den Besitzer nur gut verkaufen. Wenn es anders wäre, gäbe es schlicht keine Produktpiratenmafias in den Urlaubsorten.
    Auf diese Weise wird Luxus demokratisiert, könnte man wohlwollend sagen. Aber gekaperte Produkte herzustellen und zu verkaufen ist schlicht unanständig – genauso unanständig, wie Piratenprodukte zu kaufen.
    Mit Recht und Gesetz kommt man gegen die international operierenden Produktpiraten kaum an. Eher sehen sich da die einheimischen Produzenten oder die regulären Importeure von Fettnäpfchen umstellt, denen sie kaum mehr ausweichen können, weil sie befürchten müssen, für den unsachgemäßen Gebrauch ihrer Waren belangt zu werden. Also stellen sie immer mehr Warnschilder auf: Achtung, Kleinteile können verschluckt werden! Achtung, Objekte im Rückspiegel können kleiner erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind! Achtung, stecken Sie Haustiere niemals zum Trocknen in die Mikrowelle! Achtung, in der Schwangerschaft keinen Alkohol trinken! Achtung, verschlucken Sie die Bierflasche nicht!
    Wer die Zunahme der Verbraucherschutzhinweise in den letzten Jahrzehnten verfolgt hat, kann nur zu dem Schluss kommen, dass entweder die Verbraucher immer doofer werden oder der Gesetzgeber einen zunehmend falschen Eindruck von der Intelligenz der Verbraucher hat. Beides wäre schlimm.
    Es gibt jedenfalls eine klare Tendenz hin zur immer stärkeren Bevormundung des Verbrauchers. Das ist das eine. Es gibt aber auch gesetzlich erzwungenen Mainstream, bei Lebensmitteln zum Beispiel das Sortenrecht. Nach dem Bundes- und EU-Sortenrecht dürfen landwirtschaftliche Nutzpflanzen nur dann als Saatgut vermehrt oder gewerblich in Verkehr gebracht werden, wenn sie auf der sogenannten Sortenliste stehen. Vereinfacht gesagt heißt das: Geld verdienen darf man nur mit Sorten, die dort aufgeführt werden.
    Dafür muss eine Sorte viele Kriterien erfüllen und aufwändig zugelassen werden. Das kostet viel Geld und dauert Jahre. Die Hürden sind extrem hoch. Der Platz auf der Liste verfällt automatisch, bei Kartoffeln zum Beispiel nach zehn Jahren. Bezahlt

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