Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
Wienerischen heißt, sondern eine Frau, die resolut zupackt – egal, ob es um schmutzige Böden oder schmutzige Geschichten ging.
Auch mit Droch gab es hin und wieder nette Momente. Eine gewisse Zeit hindurch hatte ich sogar den Eindruck gehabt, es könnte mit Droch mehr geben als bloß nette Momente, viele Reibereien und das eine oder andere Abendessen. Aber das war vorbei, und es hatte nichts damit zu tun, dass er im Rollstuhl saß.
Beinahe hätte ich vergessen, an der richtigen Station auszusteigen. Gerade noch rechtzeitig stieß ich die Tür auf und wandte mich in Richtung Aufzug. Du nimmst nicht den Lift, sondern die Stufen, ermahnte ich mich. Ich keuchte nach oben. Jeder keucht, wenn er so viele Treppen steigt und so wenig gegessen hat. Es war also ohnehin alles bestens. Was mir fehlte, war ausschließlich etwas zu essen. Sollte der Kampf gegen die überzähligen Kilos weniger offensichtliche Mängel in meinem Leben überdecken? Wer Hunger hat, denkt nicht daran, dass man einsam ist? Unsinn, ich war nicht einsam, ich lebte bloß allein.
Anderswo hungern und verhungern Menschen, und ich hungerte, nur weil ich in letzter Zeit irgendwie nicht ganz glücklich war. Was hatte meine Figur mit meinem Leben zu tun? Tatsache ist, dass Männer schlanke Frauen anziehender finden. Und solche Typen wollte ich? Danke.
Bettina hatte in der vorletzten Nummer des Magazins über Körpersignale, über Erfolg, Wohlbefinden und Erotik geschrieben und eine Studie zitiert, der zufolge schlanke Menschen nicht nur erfolgreicher waren, sondern sich auch besser fühlten. Am nächsten Tag hatte ich mir das Fitnessgerät gekauft und mit dem Abnehmen begonnen. Rein zufällig natürlich. Schlanke Menschen waren erfolgreicher, weil sie ehrgeiziger waren. Und sie fühlten sich besser, weil ihnen irgendeine vordergründige Ehrgeizbefriedigung ausreichte, um sich gut zu fühlen. So war es. Ja. Ich stürzte zwei Minuten vor Geschäftsschluss in einen Supermarkt, krallte mir das letzte Biobaguette und eine Schachtel sündteurer, köstlicher italienischer Cipriani-Tagliarelle und lief damit beschwingt die zahlreichen Stufen zu meiner Altbauwohnung hinauf.
Meine Katze Gismo gab mir gleich zur Begrüßung zu verstehen, dass auch sie Hunger hatte, und rieb ihren Kopf an meiner rechten Wade. Mitleidlos schob ich sie weg, nahm mein bestes Whiskeyglas, schenkte mir einen Jameson mit einem Tropfen Wasser ein und ließ mich auf einen Stuhl fallen. Gismo maunzte empört, ich trank einen großen Schluck und seufzte glücklich.
Zehn Minuten später hatte Gismo bereits eine Schüssel mit Hühnermägen leer gefressen. Ich stand am Herd, summte vor mich hin und rührte die in Butter und Öl schwimmenden Garnelenschalen um. Daneben schnitt ich junge Zucchini und Melanzani in kleine Würfel. Wunderbar, was man alles aus Gemüse und Meerestieren machen konnte. Ich gab gehackten Knoblauch und etwas Peperoncini in die Pfanne, rührte auf kleiner Hitze gut um und entfernte die Garnelenschalen. Nun kamen die Gemüsewürfelchen dazu, nur zwei Minuten, salzen, dann die Nudeln ins kochende Wasser und zwei weitere Minuten, in denen die Garnelen in der Sauce durchziehen konnten. Es war eine große Portion geworden, aber ich hatte einiges aufzuholen, und immerhin galt es auch, das schreckliche Erlebnis, einen Toten gefunden zu haben, zu verkraften. Ich grinste, aber es sah mich ohnehin niemand. Klar, jeder der tot war, tat mir Leid. Bloß war mir Downhill-Sepp eher wie ein Kunstprodukt als ein Mensch aus Fleisch und Blut erschienen. Ich jedenfalls lebte, und mein Appetit war gut.
Ich öffnete meinen Weinschrank. Jeder Mensch hat so seine Marotten, eine meiner Spinnereien war dieser wundervolle doppeltürige Weinschrank, in dem jeder Wein perfekt gelagert werden konnte und sofort verfügbar war. Ich hatte ihn mir geleistet, als das Magazin meine erste Titelstory gebracht hatte. Auf ein großes Auto konnte ich locker verzichten, auf Luxusgarderobe auch, auf diesen Schrank jedoch nicht. Ich wählte einen Rheinriesling aus dem Weinviertel. Trocken, leicht, fruchtig. Über die Nudeln mit Garnelen und Gemüse streute ich noch etwas Petersilie. Gismo starrte zu mir hoch. Gut, heute war ein besonderer Tag. Ich nahm ein Glas mit schwarzen Oliven aus dem Kühlschrank, und sie begann ganz aufgeregt zu tanzen. Nicht nur ich habe so meine Marotten, auch meine Katze hat welche. Ich legte drei Oliven auf den Küchenboden, und Gismo begann gierig und mit lautem Geschnurre an der
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