Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
als auch Joe waren während des Fototermins auf die Toilette, zur Schminkmeisterin und in die Kantine gegangen. Die Abläufe ließen sich nicht mehr restlos klären. Es war eine lange Fotosession gewesen, mit dem Ziel, zwanglose und witzige Aufnahmen für ein Hochglanzmagazin zu bekommen. Joe in Jeans und weißem Hemd, die Coolen Kerle in ihren schrägen Phantasie-Outfits. Mit den Mitgliedern dieser Gruppe hatte ich bisher noch am wenigsten Kontakt gehabt. Sie waren die absoluten Superstars der Saison, kamen entsprechend knapp zu den Proben, mussten nicht warten und rauschten blitzartig wieder ab. Der Leadsänger fuhr einen himmelblauen offenen Mercedes und gab sich eher wie ein Popstar. Nur Geld verdiente er mehr. Die anderen hatten unterschiedliche Modelle der Marke Porsche, die Farbe war bei allen gleich: schwarz. Joe hatte mir erzählt, dass die Coolen Kerle beinahe fünfzehn Jahre lang von Zeltfest zu Feuerwehrfest und wieder zurück getingelt waren. Eine volkstümliche Unterhaltungsband wie viele andere eben auch. Sie hatten ihren Erfolg einer hervorragenden Managerin zu verdanken. Die Managerin war selten bei den Proben dabei, ich hatte sie nur einmal kurz nach einer Sendung gesehen. Sie sah eher aus, wie ich mir die Direktorin einer Versicherung vorstelle: korrekt, etwas streng angezogen, sparsames Lächeln, selbstbewusstes Auftreten. Distanziert. Beobachtend. Ursprünglich hatte sie mit einem aus der Gruppe ein Verhältnis gehabt. So war sie überhaupt erst auf die Idee gekommen, die Band zu managen. Und aus der Durchschnittsgruppe wurden die Coolen Kerle aus den Bergen, die volkstümliche Musik mit aktuellem Zuschnitt boten, und keine biederen Onkel oder Brüder, sondern eben coole Kerle waren. Sie hatten es geschafft. Bei ihrem letzten Solokonzert waren an die tausenden Besucher grün gefärbte Brillen verteilt worden, und die Coolen Kerle hatten ihren Superhit „Grüne Berge, grüne Kühe, grünes Land“ gesungen. Sie gingen am Samstag als Spitzenreiter der Hitparade ins Rennen. Und sie würden ihre Position wohl auch mit ihrem dieswöchigen Schlager „Wir schauen in den Mond“ verteidigen. Diesmal war es eine Ballade, etwas fürs Herz. Da war es beinahe schon egal, ob die Frohsinn-Mädel antreten würden oder nicht.
Allerdings: Der Tod der Jüngsten und dann das Zirkuslied … da würde kein Auge trocken bleiben. Ich tippte darauf, dass die Frohsinn-Mädel auftreten würden. Und ich bekam Recht. Sie entschieden sich für einen Auftritt, der ihrer toten Kollegin und Freundin gewidmet sein würde. Und sie erzählten mir über sie.
Gabriele Weichselberger hatte sie geheißen. Sie war 21 Jahre alt und die Tochter einer der Begründerinnen der Truppe gewesen. Gabi hatte seit dem fünften Lebensjahr gesungen. Ihre Mutter hatte allerdings darauf bestanden, dass sie nicht professionell ins Showgeschäft einstieg, bevor sie einen Schulabschluss hatte. Kluge Frau. Sie hatte wohl selbst einiges erlebt. Gabi hatte also nebenbei in verschiedenen Formationen, auch mit ihrer Mutter gesungen, und vor drei Jahren die Matura gemacht. Sie war die Erste in ihrer Familie mit einem höheren Schulabschluss gewesen. Dann hatte sie ihr Onkel zu den Frohsinn-Mädeln gebracht. Eine hübsche, naturblonde junge Frau, die auch noch singen konnte. Ein Glücksgriff. Seit einigen Monaten allerdings hatte sie mit dem Ausstieg aus der Truppe spekuliert. Schuld daran war ihr Freund aus dem Bankgeschäft gewesen. Nach einer Heirat, so hatte sie ihren Kolleginnen erzählt, wolle sie nicht mehr weitertun. Sie wolle zwei oder drei Kinder und ein schönes Haus haben. Du liebe Güte. Offenbar hatte sie die volkstümlichen Texte für bare Münze genommen. Vater, Mutter, Kind und unsterbliche Rollenklischees. Ihr Freund habe das Showgeschäft nicht sonderlich geschätzt, erfuhr ich noch, und dass ihre liebste Freizeitbeschäftigung reiten gewesen sei. Sie habe sich im letzten Jahr zwei Pferde gekauft, die in einem Reitstall in der Nähe von Wien betreut wurden. Aber all das lieferte kein Mordmotiv.
Und keine aus der Truppe konnte sich erinnern, dass Gabi über außergewöhnliche Beobachtungen gesprochen hatte. „Wir haben über die Todesfälle geredet, das natürlich“, erzählte mir die Älteste der Frohsinn-Mädel. „Sie hat Downhill-Sepp ganz gern gemocht, aber den haben fast alle gemocht.“
„Und Langthaler?“
Sie stutzte und rieb sich die Schläfe. „Den haben wenige gemocht.“
„Hatte sie einen besonderen Grund
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