Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
gibt, aber …“
Das Weib, das die armen, ach so männlichen Unschuldsengel verführt. Ich wollte mit der netten Frau Schneider lieber nicht darüber diskutieren. Mir schien es wahrscheinlicher, dass dieser Typ genau wusste, was er tat, und seine junge Freundin als Ausrede verwendete.
Ich versprach, bei Gelegenheit wieder einmal vorbeizuschauen.
Am Anrufbeantworter blinkte es. Ich setzte Gismo weniger sanft als sonst auf den Boden und ließ das Band zurücklaufen.
„Kommen Sie in die Redaktion! Sofort! Es ist zehn Uhr und fünf Minuten.“
Der Chefredakteur des Magazins neigte auch sonst nicht zu übertriebener Höflichkeit. Chefredakteure hatten keine Zeit und mussten entsprechend kurz angebunden sein, lautete seine Maxime. Aber das war gar etwas kurz angebunden. Und seine Stimme klang ziemlich scharf. Das war keine Aufforderung, sondern ein Befehl.
Vesna hatte ab heute ein Handy. Ich rief sie in der Kulturhalle an. „Ich komme später, Vesna. Ich muss in die Redaktion. Ich weiß nicht, was los ist.“
„Hier ist es ruhig. Ich war auf Bühne, weil ich Brote gebracht habe. Habe Chef gesagt, dass Brote für alle gute Stimmung machen. Image.“
„Wo bist du?“
„Am Weg in die Küche.“
„Pass auf Joe auf!“
Vesna kicherte etwas. Wahrscheinlich fand sie mich lustig. Ich legte auf. Wahrscheinlicher war, dass meine Nerven langsam verrückt spielten. Den Befehlston des Chefredakteurs bildete ich mir mit Sicherheit ebenso ein wie die akute Gefahr für Joe. Die Security-Leute waren auf ihren Posten. Joe war die ganze Zeit über von vielen Menschen umgeben.
Ich hörte mir die Nachricht noch einmal an. Am Befehlston war nicht zu zweifeln. Ich setzte mich ins Auto und machte, dass ich in die Redaktion kam.
Ich ging erst gar nicht zu meinem Schreibtisch, sondern sofort ins Sekretariat des Chefredakteurs. Er hielt es für ein Zeichen seines Engagements, auch am Samstag in der Redaktion zu sein. Und seine Sekretärinnen mussten es ihm gleich tun.
„Was ist denn los?“, fragte ich die Sekretärin, mit der ich mich recht gut verstand.
„Ich weiß nicht. Er ist schwer geladen und hat herumgebrüllt. Ich habe versucht herauszubekommen, warum – aber ohne Erfolg.“ Sie zuckte bedauernd mit den Schultern und wandte sich zur Sprechanlage. „Frau Valensky ist da.“
„Soll sofort hereinkommen!“
Die Sekretärin nickte mir aufmunternd zu. Ich versuchte zu grinsen, atmete tief durch und trat ein.
Der Chefredakteur lag nahezu in seinem schweren Ledersessel. Irgendwann würde er damit umkippen, und ich wünschte, ich wäre dann dabei.
„Setzen Sie sich!“
Es musste etwas Ernstes sein, einen Platz bot er einem selten an. Ich ließ mich auf einem deutlich kleineren und unbequemen Stuhl auf der anderen Seite seines Schreibtisches nieder, weit weg von ihm. Er fixierte mich. Er verstand es, seine Position bestmöglich zur Schau zu stellen. War wohl auch notwendig, denn über natürliche Autorität verfügte er nicht.
„Sie haben ein Verhältnis mit Joe Platt.“
Darauf war ich nicht gefasst gewesen. „Selbst wenn – ich weiß nicht, was Sie mein Privatleben angeht.“
Er brüllte: „Es geht mich etwas an, verdammt noch einmal, wenn eine Redakteurin ein Verhältnis mit dem Hauptverdächtigen in einem Mordfall hat. Und wenn sie auch noch über diesen Fall schreibt.“
„Die Polizei ermittelt in alle Richtungen, hat Chefinspektor Müller betont.“
„Die Polizeibeamten wissen, dass Sie ein Verhältnis mit Platt haben.“
„Das können sie nicht wissen.“
„Sie wissen es. Gehen Sie ins Bett, mit wem Sie wollen. Mit einem Neger oder von mir aus sogar mit einer Frau. Aber gehen Sie niemals mit einem Verdächtigen ins Bett, über den Sie schreiben. Niemals! Sie haben uns zutiefst lächerlich gemacht! Und Sie haben uns in einen Mordfall verstrickt!“
Ich versuchte, ganz ruhig zu bleiben. „Erstens ist Joe Platt weder des Mordes angeklagt, noch wird das passieren. Zweitens haben Sie meine Reportagen bisher sehr gut gefunden. Und Ihnen wird es wohl nicht an Objektivität mangeln, oder? Drittens heißt es nicht Neger sondern Schwarze. Viertens verbitte ich mir Ihre rassistischen Äußerungen. Und fünftens geht Sie mein Privatleben einen Dreck an!“
„Weiter als bis fünf können Sie wohl nicht zählen, was? Wenn Sie nämlich etwas weiter zählen könnten, hätten Sie begriffen, dass dieser Joe Platt mit Ihnen eine ganz miese Nummer abgezogen hat. Vorausgesetzt Sie machen mit ihm nicht gemeinsame
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