Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
mit steifen Beinen, kalt gewordenen Hintern und warmen Herzen aufstanden, kam der Weinbauer und sagte: „Ich hoffe, es hat Ihnen geschmeckt, Herr Platt. Es war uns eine Ehre, und ich freue mich, wenn Sie wiederkommen.“ Er überreichte Joe eine Flasche Grünen Veltliner als Geschenk des Hauses. Es war schön, prominent zu sein. Die Menschen waren nett zu einem und ließen einen trotzdem in Ruhe. Hier wusste man noch, was Privatsphäre ist. Ich würde aufs Land ziehen. Irgendwo in diese Gegend. Mit Joe.
Hand in Hand gingen wir zum Auto.
Gismo war wieder einmal ins Stiegenhaus entkommen. Das Mistvieh machte sich einen Sport daraus, mich die Treppen hinauf- und hinunterzujagen. Sie wartete immer auf mich, putzte sich und lief davon, sobald ich mich nahe genug herangeschlichen hatte.
„Gute Katze, ich werde dich nicht mehr so vernachlässigen wie in der letzten Zeit. Es wird wieder Hühnerrücken geben, sogar frisches Rindfleisch. Und ich werde wieder mehr Abende daheim verbringen. Sicher. Ganz ruhig, Gismo …“, gurrte ich. Ohne Anstrengung lief meine Katze zum nächsten Treppenabsatz hoch und starrte mich mit ihren gelben Augen an. Ich brauchte jemanden, um sie in die Enge zu treiben. Joe war schon vor zwei Stunden gegangen. Wie üblich ohne Frühstück. Üblich? Üblich war bei uns noch gar nichts. Der gestrige Abend war wunderschön gewesen, auch wenn sich bei Tageslicht betrachtet einige Zweifel an meinem Geisteszustand ergaben. War ich wirklich stundenlang schmachtend auf einer schmalen Heurigenbank gesessen? Warum nicht. Es war schön gewesen. Wirklich.
Gismo saß jetzt vor meiner Wohnungstür. Sie schärfte ihre Krallen an der Fußmatte. Ich musste nur vorsichtig die Türe öffnen und sie hineinschubsen. Meine Hand lag bereits auf der Türschnalle. Jetzt hieß es, schnell die Türe aufzustoßen und ihr einen kleinen Fußtritt zu verpassen – nur einen sanften selbstverständlich, aber den hatte sie sich verdient. Ich riss die Tür auf, und Gismo war bereits auf den Stufen nach unten. Ich hätte diese Bestie nie aufnehmen dürfen. Ich hätte sie damals nass, klein und frierend am Straßenrand sitzen lassen sollen.
Zwei Stockwerke tiefer maunzte Gismo in voller Lautstärke. Im hallenden Stiegenhaus klang das wie ein eindrucksvolles Gebrüll. Die Tür der alten Frau Schneider, einer großen Katzenfreundin, ging auf. Das letzte Mal hatte sie Gismo mit einer Unzahl von Weihnachtskeksen gefüttert. Gismo war entzückt gewesen. Mit dem Durchfall danach hatte ich mich herumschlagen müssen. Ich hetzte nach unten.
„Frau Valensky?“, rief die alte Dame. Ich kam keuchend bei ihr an.
„Ihr Kätzchen hat so geschrien, jetzt ist es in meine Wohnung gelaufen.“
Kätzchen hätte ich die Bestie nicht genannt. Frau Schneider lud mich ein hereinzukommen. Kaum war die Türe zu, schmiegte sich Gismo mit unschuldigem Blick an die Beine ihrer alten Freundin. „Warten Sie, ich muss einfach etwas Feines für die Katze haben, es ist eine so feine Katze.“
Ich finde ja, dass sie mit ihrem wild orange-schwarz gemusterten Fell nicht besonders vornehm aussieht. Und vom Charakter her …
„Die Plätzchen sind für Sie“, beruhigte mich Frau Schneider und hielt mir einen Teller mit selbst gemachter Bäckerei hin. „Mein jüngerer Enkelsohn kommt später, und da habe ich schon etwas gerichtet.“
Gismo wurde trotz meines Protests mit mindestens zehn Deka Pressschinken gefüttert. Sie schmatzte und schleckte und sah sich nach mehr um.
Ich lehnte es dankend ab, mich zu setzen. Ich sollte längst auf dem Weg zur Kulturhalle sein. Aber wenigstens ein Keks? Ich nahm ein gefülltes, in Schokolade getunktes Stück Gebäck. Es war köstlich. Frau Schneider erzählte unterdessen von ihren Enkelkindern. Der Kleinere sei ein so braves Kind, so musikalisch und dabei so klug. Klug sei der Größere auch, aber momentan hätten seine Eltern jede Menge Schwierigkeiten mit ihm. „Neunzehn ist er und studiert Englisch. Und wissen Sie, was er getan hat?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Er hat sich von einem Mädchen dazu bringen lassen, in so einem Striplokal aufzutreten. Mit dem Geld, das er verdient hat, wollten sie auf Urlaub fahren. Nach Hawaii. Und wissen Sie was? Das Mädchen ist erst fünfzehn oder sechzehn. Und so raffiniert.“
„Mit neunzehn wird er schon selbst wissen, was er tut. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Mädchen ihn dazu gezwungen hat …“
„Es hat. Ich weiß ja, dass es nicht nur solche Mädchen
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