Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
Medieninteresse war enorm. Während üblicherweise bloß einige Medienleute und Fotografen kamen, um etwas über die Atmosphäre hinter der Bühne, über die Gäste und Prominenten im Publikum zu berichten, war diesmal auch der ganze Pulk von Kriminalberichterstattern, Chronikjournalistinnen und Schlüssellochreportern erschienen. Ihre Plätze waren gut, aber ich stellte mit Befriedigung fest, dass ihr Weg zu den Bühnenaufgängen und zu den Ausgängen weiter war als der meine. Beziehungen musste man eben haben. Ich grinste zu den Journalisten-Tischen hinüber. Auch meine Fotografin war hier. Die Medien hätten durch eine Pressekonferenz mit dem stellvertretenden Fernsehdirektor, dem Regisseur und Joe zufrieden gestellt werden sollen. Aber statt Informationen hatte es bloß uninteressante Ankündigungen und vage Vertröstungen gegeben. Wirklich zufrieden stellen konnte die meisten meiner Zunft ohnehin nur ein weiterer Mord. Ich hoffte gegen meine eigenen beruflichen Interessen, dass sie unzufrieden bleiben würden.
Hinter der Bühne herrschte hektische Betriebsamkeit. Besucherströme ergossen sich nun in den Saal. Der Geräuschpegel stieg beinahe bedrohlich an. Eigens für diesen Abend engagiertes Personal servierte Bier, Wein, Brote und Salzgebäck. Alkoholfreie Getränke schienen weniger gefragt zu sein.
Noch eine halbe Stunde. Alle, die nicht direkt mit der Produktion zu tun hatten, wurden aus dem Bereich hinter der Bühne verbannt. An den Bühnenaufgängen waren Sicherheitsleute in Jeans und Super-Sommer-Hitparade-Leibchen postiert worden. Sie hatten den strikten Auftrag, niemanden, aber auch gar niemanden auf die Bühne oder durch die seitlichen Bühnentüren in den Garderobenbereich zu lassen. Trotzdem wusste ich, wie ich notfalls auch während der Live-Übertragung zu den Garderoben kommen konnte. Nämlich von außen, wie Vesna herausgefunden hatte. Die Tür, die von der Küche ins Freie zu den Müllcontainern führte, würde offen bleiben. Sollte etwas passieren, sollte mich Vesna über ihr Handy verständigen. Das war auch der Hauptgrund, warum es mir lieber war, nicht beim Journalistenpulk, sondern an einem Seitentisch zu sitzen. Wenn etwas geschah, würde ich nicht gleich den ganzen Tross in Aufregung versetzen. Da war mir das Gewitzel, dass ich offenbar schon mehr Joes Freundin als Redakteurin sei, deutlich lieber. Wer zuletzt lacht …
Das Publikum wurde nun eingestimmt. Diesmal war es für den Einpeitscher nicht so einfach, die ungeteilte Aufmerksamkeit zu bekommen. Zweitausend an Tischen sitzende, miteinander schwatzende und trinkende Menschen zum Zuhören zu bewegen, ist eben eine andere Aufgabe, als in einem Fernsehstudio ein brav auf seinen Stühlen wartendes Publikum zu belehren. Irgendwann erreichte die Lautstärke des Animators die Schmerzgrenze, und der Lärm der Menschenmasse wurde leiser. Jetzt lief ab, was vor jeder Show ablief. Zuerst wurde das Klatschen geübt, dann das Lachen. Joe kam auf die Bühne, machte Witzchen, die auch nicht besser waren als vor einer Woche, und zog sich wieder zurück. Genau zu diesem Zeitpunkt vor der letzten Show war Langthaler erschlagen worden.
Aufmerksam betrachtete ich die Bühne. Kameraleute standen bereit, Assistenten hielten Kabel. Die Kulisse stellte eine eigenartige Kombination aus hochalpiner Bergwelt, Kornfeld und Bauernstube dar. Von einem Berg würde Susi, wenn alles gut ging, in der Schaukel niederschweben. Ähren waren zu so genannten Kornmandln zusammengebunden, kunstvoll hineinverflochten leuchteten Mohn- und Kornblumen um die Wette. Im Vordergrund waren zwei grobe Holztische aufgestellt. Auf den dazu passenden Stühlen mit ihren herzförmigen Holzlehnen würden einige der Stars nach ihrem Auftritt Platz nehmen, aber auch der Elvis-Verschnitt, der Bürgermeister und irgendwelche sonstigen Honoratioren.
Die Kennmelodie der Show ertönte, das Rotlicht der Kamera eins blinkte auf, Joe trat mit strahlendem Lächeln und ausgebreiteten Armen auf die Bühne. Applaus brandete auf. Alles lief genau nach Plan.
Die Schuhplattler schuhplattelten, die Frohsinn-Mädel schluchzten das Zirkuslied nur für die tote Gabi, die Leute im Saal und das Millionenpublikum vor den Bildschirmen. Die zehnjährigen Zwillinge weinten nicht, sondern sangen um ihr Leben als zukünftige Stars, der lokale Elvis-Verschnitt gefiel weniger als der gesangsfreie Auftritt des Bürgermeisters. Es wurde gejodelt, und Susi Sommer glitt von der Spitze des Kulissenberges, als ob sie
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