Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
wirklich auf nichts mehr verlassen. Eilfertig wurden Geschichten von dem Papst, der eine Frau gewesen sein soll, aufgewärmt. Man wühlte in Biographien, und ein Schriftsteller, den die meisten der einschlägigen Redakteure und Redakteurinnen bisher gar nicht gekannt hatten, stand plötzlich im Mittelpunkt, weil er als Frau auf die Welt gekommen war.
Logisch, dass sich auch die Titelseite des Magazins mit diesem Thema beschäftigte. Die Morde in der Volksmusikszene waren auch für den Chefredakteur nicht mehr so wichtig. Gnädig erteilte er mir jedoch den Befehl, für alle Fälle weiter an der Sache dranzubleiben.
Die Intendantin war noch immer schlecht auf mich zu sprechen. Das hatte jetzt allerdings weniger mit dem Umstand zu tun, dass ich ihr einiges im Zusammenhang mit Joe verschwiegen hatte, als damit, dass ich über ihre Probleme mit der Super-Sommer-Hitparade Bescheid wusste. Dabei erwähnte ich diesen Aspekt in meiner Reportage ohnehin nur mit zwei Sätzen. Ich trat die schleppenden Ermittlungen breit, erzählte etwas zu ausführlich über die Stimmung unter den Volkstümlern und stellte die Geschichte der spät, aber doch aufgefundenen Medikamente in den Mittelpunkt. Viel Platz hatte ich ohnehin nicht zur Verfügung. Die Story war von sechs Seiten in der Vorwoche auf eine Doppelseite geschrumpft. Fast die Hälfte des Platzes nahm ein Foto der Frohsinn-Mädel ein, auf dem sie neben einem holzgeschnitzten Zirkuspferd standen und ganz offensichtlich ihr Zirkuslied sangen. „Die Show muss weitergehen“, lautete die Bildunterschrift. Sie stammte nicht von mir.
Ich beschloss, die Intendantin und Joe zum Essen einzuladen. Intendantinnen haben im Allgemeinen Besseres zu tun, als sich am Abend mit irgendwelchen Journalistinnen zu treffen. Zumindest glauben sie das. Also bot ich ihr Joe, und sie kam.
Ich verwöhnte die beiden mit einem rustikalen Essen. Zwar konnte ich mich nicht aufraffen, etwas wirklich Bodenständiges zu kochen, aber venetische Landküche passte ohnehin viel besser zu einem weiteren verregneten Sommertag. Dieser Sommer würde wohl als der kälteste und unfreundlichste in die Geschichte eingehen. Die Sarde in Saor, mit Zwiebeln marinierte Sardinen, hatte ich schon zwei Tage zuvor zubereitet. Der Trick dabei ist, die in grobe Ringe geschnittenen Zwiebel anzubraten und dann nicht in verdünntem Essig, sondern in Prosecco mit einem Spritzer Essig gemeinsam mit Zimt und Rosinen bissfest zu dünsten. Der Sud wird über gebratene Sardinen geleert, und das Ganze kommt für einige Tage zugedeckt in den Kühlschrank. Als Antipasti servierte ich außerdem noch grobe Salami, Sopressa genannt, mit einer Petersilsauce – viel frische Petersilie, etwas Knoblauch, ein wenig Zitronensaft und Olivenöl werden vermischt – und gelben Tomaten.
Joe und die Intendantin nickten nahezu feierlich. Dann kamen schwarze Spaghetti mit Tintenfischen in der eigenen Tinte an die Reihe. Während sich die Intendantin mit Joe über Marketingstrategien unterhielt, gab ich Butter und Olivenöl in eine Pfanne, röstete die vorbereiteten Tintenfischstücke mit einem zerrissenen Peperoncino und Knoblauch scharf an, goss frische Tinte darüber und ließ sie kurz aufwallen. Inzwischen waren die Nudeln bereits fertig. Eine äußerst schwarze Angelegenheit, aber auch sehr aromatisch. Ich öffnete dazu eine Flasche Pinot Grigio, meine beiden Gäste tranken ganz schön schnell.
Ich versuchte, das Gespräch auf die Morde zu lenken, aber die Intendantin blockte ab. „Wir wollen uns doch nicht dieses wunderbare Essen verderben lassen, oder? Lasst uns später darüber reden.“
Joe nickte. Gut, sie war seine Chefin.
Es folgten meine geliebten Gnocchi mit Butter und Salbei, die machen sich mehr oder weniger von selbst. Seit es in Wien hinter der Floridsdorfer Brücke die Filiale einer italienischen Supermarktkette gab, konnte ich gute, frische Gnocchi spottbillig einkaufen. Und auch schwarze Nudeln, Büffelmozzarella und vieles mehr. Ich ließ nun Butter mit etwas Salz und zerrissenen Salbeiblättern aufschäumen, wartete bis die Butter braun war und leerte sie dann über die Gnocchi. Parmesan darüber reiben und fertig.
Joe sah mich an. „Wenn ich das alles essen soll, muss ich drei Wochen lang hungern“, sagte er.
„Selbst schuld, wenn du schön sein musst.“
„Also ich finde, es lohnt sich, für dieses Essen drei Wochen lang zu hungern“, murmelte die Intendantin und spießte mit Genuss zwei Gnocchi auf. Irgendwie kam die
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