Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
Konversation nicht so recht in Gang, wenn ich mit am Tisch saß.
Joe erzählte von seinem Auftritt als Gastmoderator in Berlin und aß maximal die Hälfte seiner Portion. Egal, der Höhepunkt der Primi kam erst, die Pasta e fasoi aus aromatischen venetischen Bohnen, Zwiebeln und Knoblauch, mit viel Thymian, etwas Butter und der nötigen Menge Rinderbrühe zum Aufgießen. Diese dicke Suppe musste ich nur mehr aufwärmen und frisch gekochte Pastastücke einrühren. Ich kostete und nickte. Ich sollte mich auf das Kochen beschränken. Aber ich musste Geld verdienen. Und einiges aufklären. Ich durfte die Intendantin nicht weglassen, bevor ich mit ihr nicht über die Morde geredet hatte. Ich musste ihr verständlich machen, dass es mir um die Aufklärung des Falls ging und nicht nur um meine Reportage.
Ich servierte und goss auf jeden Teller noch einige Tropfen Olivenöl. Dann wartete ich, bis die Intendantin gekostet hatte und gerade zu einem Lob ansetzen wollte.
„Statt schöner Worte will ich etwas anderes von Ihnen“, sagte ich mit einem möglichst strahlenden Gastgeberinnenlächeln. „Ich möchte, dass Sie mir vertrauen und mir sagen, wer Ihnen verdächtig erscheint.“
Sie lächelte auch und schüttelte den Kopf. „Ich vertraue Ihnen, ich war wütend, und dann haben Sie mich auch noch mit der Quotensache bedroht. Aber an sich vertraue ich Ihnen. Jemand, der so kocht, kann kein ganz schlechter Mensch sein.“ Sie zwinkerte vergnügt.
Ein Hoch auf Pasta e fasoi.
„Aber: Ich weiß nicht, wen ich wirklich verdächtige. Mir scheinen beinahe alle verdächtig und dann doch wieder niemand. Das ist das Seltsame an der Geschichte: Kaum ergeben sich Verdachtsmomente in die eine Richtung, werden sie durch Verdachtsmomente in eine andere Richtung entschärft.“
Jetzt hörte auch Joe gespannt zu. Immerhin wollte er wissen, ob die Intendantin auch ihn verdächtigte.
„Sie zähle ich jedenfalls nicht dazu, habe ich nie getan“, sagte die Intendantin zu Joe. Stimmt, das hatte sie nicht. Warum eigentlich nicht? Und warum strahlte Joe jetzt, als ob er einen Oskar gewonnen hätte?
„Es muss jemand sein, der an der Produktion beteiligt ist“, beharrte ich.
„Ich weiß nicht“, erwiderte sie. „Vielleicht lenkt jemand auch nur geschickt den Verdacht auf unser Team.“
„Jemand von außen?“
„Vielleicht ist es auch ein Tontechniker oder ein Hilfsbeleuchter.“
„Oder die Garderobiere? Ich sehe aber keine Motive.“
Jetzt mischte Joe sich ein. „Jedenfalls ist in der letzten Zeit nichts mehr passiert, und die Super-Sommer-Hitparade ist nächste Woche zum Glück vorbei.“
Ich kam mir sensationsgeil vor. „Ich wollte nicht …“
„Natürlich nicht, Mira“, sagte Joe und legte mir mit einem Lächeln seine Hand auf den Arm.
„Natürlich nicht, meine Liebe“, sagte die Intendantin.
Natürlich wollte auch ich nicht, dass noch etwas geschah. Bloß: Ich konnte nicht so ganz daran glauben.
Als Hauptspeise hatte ich mich für einen Rombo in Balsamico-Essig entschieden. Es ist nicht so leicht, in Wien guten, frischen Fisch zu bekommen. Aber ich hatte einen Großhändler gleich bei den Gasometern in Simmering entdeckt, der in erster Linie Restaurants belieferte. Ich war eine gute Kundin, und die Fischverkäufer hatten mich zu meinem Glück ins Herz geschlossen.
Der Steinbutt war prächtig, seine Augen glänzten blank, die Kiemen waren von jenem Rosa, das Frische signalisiert. Ich schob ihn in einer Pfanne mit etwas Olivenöl ins heiße Rohr. Vielleicht war er etwas groß für drei Personen, aber jedenfalls eindrucksvoll. „Zehn Minuten Pause“, verkündete ich und öffnete einen Sauvignon aus der Südsteiermark.
Die Intendantin erzählte Schnurren von ihrem früheren Job in der Kulturszene. Es schien mir, als wollten mich beide vom Thema Mord ablenken. Dann schrillte die Küchenuhr. Ich goss einige Esslöffel besten Balsamico-Essigs über den Fisch, deckte die Pfanne wieder zu, schaltete das Rohr aus und ließ ihn fünf Minuten ziehen. Unter vielen Ahs und Ohs zerlegte ich den Fisch am Tisch und beträufelte die Filets mit dem Saft.
Ich weiß nicht, aber ich hatte auch diesmal den Eindruck, dass Joe und ich, was gutes Essen anging, nicht auf derselben Welle schwammen. Vor allem die schwarzen Spaghetti schienen ihm den Appetit genommen zu haben. Die Intendantin hingegen aß, bis sie nicht mehr konnte. Und als Zeichen der Versöhnung gab ich ihr sogar das Rezept für den Rombo.
Der Rest der Woche
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