Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
Ich mag es nicht, wenn man mir so auf den Leib rückt. Beleidigt hastete er dem Tross nach.
Die Tür war nur angelehnt gewesen und ging auf. Eine Besenkammer. Ein gutes Versteck. Von hier aus konnte ich die Tür zu den Toiletten sehen und den Großteil des Ganges überblicken. Die Managerin der Coolen Kerle aus den Bergen kam mit einem ihrer Schützlinge um die Ecke. „Wir haben sie fest im Griff. Wenn ihr es heute noch einmal schafft, können sie nicht Nein sagen.“
Der Musiker nickte.
Susi steckte den Kopf aus der Tür, schien zu glauben, dass die Luft rein war, und kam heraus. Ich drückte mich in das Dunkel der Besenkammer. Entweder war ihr langweilig, oder sie wollte wieder einmal spionieren. Zwei Minuten noch, dann würde ich sie einfach packen und …
Ich spähte auf den Gang und traute meinen Augen nicht. Mein Herz pochte laut. Und das hatte nichts mit Liebe zu tun. Joe. Joe Platt. Er hätte in seinem Zimmer sein sollen. Was tat er hier? Es würde eine vernünftige Erklärung dafür geben. Sicher. Auch dafür, dass er sich so nahe wie möglich an der Wand hielt und jede der unsäglichen Grünpflanzen dazu benutzte, in Deckung zu gehen. Joe war eindeutig hinter Susi Sommer her. Die Kleine hatte ihn nicht bemerkt. Hatte er mich gesehen? Offenbar nicht. Ich blieb in meiner Besenkammer. Unterdessen ging der Kinderstar zielstrebig weiter. Susi Sommer schaute auf die Uhr. Hatte sie eine Verabredung? Eine Verabredung mit Joe? Am Ende des langen Ganges lag ein für alle zugänglicher Balkon. Man konnte hinausgehen, frische Luft schnappen und den prächtigen Ausblick auf den Wienerwald genießen. Man konnte aber auch hinunterfallen. Hinuntergestoßen werden. Ein Geräusch. Joe zuckte zusammen und drückte sich gegen einen Philodendron. Mein Atem ging flach. Niemand kam. Susi Sommer ging unbeirrt Richtung Balkon.
Bieg ab, Engelchen! Geh in den Seitengang, dort wo die Coolen Kerle planschen, wo auch noch ein paar andere auf ihren Auftritt warten. Sorge dafür, dass du nicht allein bist. Schnüffle herum, gehe ihnen auf die Nerven, aber bitte, bieg ab und lasse es nicht zu, dass ich etwas tun muss.
Joe sah sich um. Kein Zweifel, niemand sollte wissen, dass er hier war und nicht in seinem Büro. Soviel ich wusste, hatte er sich vor einer Sendung noch nie in sein Büro zurückgezogen. Er brauche vor einer Sendung keine Ruhe, sondern dieses Gefühl der angespannten Hektik und die vielen Menschen hatte er mir einmal erzählt. Hier war außer Susi Sommer und mir niemand. Ich fingerte nach meinem Handy. Ich musste …
Susi Sommer bog ab. Ich atmete auf. Joe Platt bog auch ab. Ich überlegte fieberhaft. Im Seitengang lagen die Garderoben. Und sonst? Keine Ahnung. Auf dieser Seite des Sendesaales war ich selten gewesen. Vielleicht gab es ein Treppenhaus. Ich schob mich aus der Besenkammer. Von Joe Platt war keine Spur. Wo war er? Egal, ich lief möglichst lautlos bis zum Seitengang. Die kleine Sommer öffnete gerade ohne anzuklopfen eine der Garderobentüren und trat ein. Ich schlich näher. Fürchten konnte ich mich später.
Wenn Vesna bloß da gewesen wäre. Susi Sommer hatte die Tür einen Spalt offen gelassen. Es war die Garderobe des Leadsängers der Coolen Kerle. Man konnte den Whirlpool blubbern hören.
„Hallo“, sagte Susi Sommer gerade.
„Was machst du hier?“, kam es wenig begeistert aus der Wanne.
„Ich bin nur gerade vorbeigekommen.“
„Hau ab, ich bade.“
„Als ob ich noch nie einen nackten Mann gesehen hätte?“
„Schwirr ab!“
„Ich würde an deiner Stelle nicht so mit mir reden.“
„Ich rede, wie es mir passt.“
„Hast du nicht Angst, dass dir auch etwas passieren könnte?“
„Mir? Wieso?“
„Vielleicht mag es jemand nicht, wenn man mich schlecht behandelt.“
„Klar. Hau ab!“
„Du bist überhaupt nicht cool.“
„Raus!“
„Naja, wenn du meinst …“
Ich schob mein Gesicht näher an den Spalt. Wo war Joe? Was sollte dieser Abstecher der kleinen Sommer? Sie wickelte sich einen Zopf um den rechten Zeigefinger und starrte auf die Wanne.
„Zum letzten Mal. Nerv mich nicht!“
„Ich nerve dich? Einen schönen Fön hast du da.“ Sie nahm einen chromglänzenden Fön von der Schminkkommode. Sie schaltete ihn spielerisch ein und aus. Sie war wirklich nervtötend.
Der Fön. Der Whirlpool. Die kleine Sommer.
„In Wirklichkeit warst du gar kein so guter Sänger“, sagte sie langsam. Sie ging auf den Whirlpool zu und schaltete den Fön ein. Keine Zeit mehr. Zu
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